Paul Wranitzky (1756-1808) war zu seiner Zeit einer der angesehensten Musiker in Europa. Der aus Mähren stammende Komponist zog wie viele aufstrebende Musiker nach Wien und erlangte schnell den Status eines bemerkenswerten und vielseitigen Komponisten von Opern, Kammermusik und Sinfonien. Einst ein hoch angesehener und einflussreicher Musiker, ist Wranitzky heute fast vergessen im Schatten seiner bekannteren Zeitgenossen und Freunde Mozart, Haydn und Beethoven, die Wranitzky als Komponisten und ausübenden Geiger und Dirigenten zu schätzen wussten.
Wranitzky erfreut sich beginnend mit dem 21. Jahrhundert einer erstaunlichen Wiederentdeckung wie keiner seiner Komponistenkollegen des 18. Jahrhunderts, deren Werke es im Gegensatz zu den ganz Großen dieser Zeit nicht in die zeitlose Hitliste des Klassik-Genres geschafft haben. Diese Wiederentdeckung manifestiert sich in zahlreichen Aufnahmen, die mit unterschiedlichen Ensembles vor allem auf dem Label Naxos erschienen sind. Einen Überblick der Aufnahmen findet sich auf dem Website www.wranitzky.com, die vom The Wranitzky Project betrieben wird, dass Quellen für bislang etwa 80 Prozent des überlieferten Schaffens des Komponisten besitzt und dieses Notenmaterial kostenlos zur Verfügung stellt. Dazu gehören zahlreiche Bühnenwerke, etwa 45 Sinfonien, eine große Menge an Kammermusik in verschiedenen Gattungen und viele Konzerte. Auch das Notenmaterial für die Wranitzky-Sinfonien auf dem brandneuen Album der Akademie für Alte Musik Berlin, erschienen beim Label Deutsche Harmonia Mundi stammt vom The Wranitzky Project.
Das Album beginnt mit der Ouvertüre zu“ Oberon, König der Elfen“, der Vertonung des Versepos «Oberon» von Christoph Martin Wieland, die von der Truppe Emanuel Schikaneders uraufgeführt wurde und über viele Jahre überaus erfolgreich auf dem Spielplan verschiedener Theater gestanden hatte. Es sind jedoch vor allem die sinfonischen Werke auf diesem Wranitzky-Album, die von der ohne Dirigenten agierenden Akademie für Alte Musik Berlin hinreißend gespielt aus ihrem Schneewittchen Traum erweckt werden. Bei der Sinfonie in c-Moll, Op. 31, der “Grande Sinfonie caractéristique pour la paix avec la République Française“ handelt es sich gar um eine regelrechte Programm-Musik großer Bildkraft und Intensität, die vorzüglich instrumentiert ist, mit den Abteilungen „Die Revolution: Marsch der Engländer. Marsch der Österreicher und Preußen“, „Das Schicksal und der Tod Ludwigs XVI“ und „Die Friedensverhandlungen. Freudengeschrei über den wiederhergestellten Frieden.“ Diese Sinfonie mit dem Beinamen "La Paix" erweist sich als fesselndes Werk, das die Kriege nach der Französischen Revolution illustriert und an die Marsch- und Schlachtenmusik der Zeit erinnert.
Die Sinfonie in D-Dur Op. 36 ist einem hochherrschaftlichen Ereignis gewidmet: „Sinfonie bei Gelegenheit der hohen Vermählung Sr. K.K. Hoheit des Erzherzogs Joseph, Palatinus von Ungarn mit Sr. K. Hoheit der Grosfürstin Alexandra Paulowna, verfast und dem hohen Brautpaare unterthänigst zugeeignet“. Bislang unveröffentlicht die Sinfonie in d-Moll „La Tempesta“. Die große Trommel wird hier im Schlusssatz zur Darstellung des Unwetters eingesetzt. Der Komponist notierte detaillierte Spielanweisungen für diesen Teil, namentlich zur Gestaltung des Donners, der den Sturm dominiert. Die Schilderung des Unwetters umfasst den gesamten letzten Satz. Rasend schnelle Tonleitern, Tremoli und verminderte Akkorde durchbrechen das Schema der Sonatenform, bevor ein festlicher Jubel die Herrschaft der Naturgewalten in die Schranken verweist. Gegen die erschütternde Heftigkeit dieses Satzes nimmt sich der Gewittersatz in Beethovens Pastorale wie ein lauer Regen aus.
Die Akademie für Alte Musik Berlin unter Konzertmeister Bernhard Forck auf diesem Album Referenzaufnahmen der darauf gebotenen Werke Wranitzkys eingespielt und erweist sich wieder einmal als eines der besten Orchester der Alte-Musik-Szene, wenn nicht als das Allerbeste.
Akademie für Alte Musik Berlin
Bernhard Forck, Leitung