Die Komponisten dieses neuen Albums verbindet ihre intime Zuneigung zur Volksmusik. So machte sich Kodály im Rahmen der von Bartók 1905 initiierten Volksliedforschung auf den damals mühsamen Weg, damals von ungarischen Volksmusikergruppen und -sängern praktiziertes, zwischenzeitlich weitgehend in Vergessenheit geratenes Liedgut zu notieren. Zusammen kamen über 3500 ungarische Volkslieder, deren Eigenart Kodály als „eindeutigen Beweis für die lebendige, schöpferische Kraft des Volkes“ wissenschaftlich untersuchte. In zahlreichen Werken des ungarischen Meisterkomponisten haben sich in Folge dieser Feldforschung mehr oder weniger deutliche Anklänge an ungarischen Volksmusik niedergeschlagen. Dies gilt vor allem für seine weniger bekannte Kammermusik, wie sein auf dem Kodály und Dvořák gewidmeten Album enthaltenes Duo für Violine und Violoncello., Op. 7, das tief in der ungarischen Volksmusik wurzelt und diese in all ihrer Urwüchsigkeit wiederspiegelt.
Der aus einem musikalische Elternhaus stammende Böhme Dvořák verbindet in seinen Werken Einflüsse von Klassik und Romantik. Seine letzte Schaffensperioden von 1876 bis 1881 und von 1886 bis 1891 waren leicht nachhörbar tschechisch-folkloristisch geprägt, wie etwas sein für Klavier, Violine und Violoncello geschriebenes, beliebtes Trio, Op. 90 „Dumky“. Im Gegensatz zum klassischen Trio-Modell handelt es sich bei dem „Dumky Trio“ um nichts anderes als aus sechs aufeinanderfolgenden Dumkas. Die Dumka ist ein ursprünglich aus der Ukraine stammender Tanz, der zur Gattung der Volkslieder gehört. Mit seinem „Dumky Trio“ hat Dvořák also gewissermaßen ein ukrainisches Gegenstück zu seinen Slawischen Tänzen geschaffen. Die sehr raschen Stimmungsumschwüngen der Dumky sollen Dvoraks eigenem Temperament entsprochen haben wie keine andere seiner Kompositionen.
Aufgenommen wurde das Kodály/Dvořák Album anlässlich des Lockenhaus Festival 2021 mit Künstlern ersten Ranges, die zwar nicht als feste Kammermusikensembles agieren, in der einzigartig inspirierenden Atmosphäre von Lockenhaus jedoch spontan zu einem überzeugend agierenden Klaviertrio und einem nicht minder überzeugend agierenden Violine/Cello-Duo zusammengewachsen sind. Letzteres erfährt in Gestalt des Violonisten Barnabás Kelemen und des Cellisten Nicolas Altstaedt eine zutiefst subtile, spielerisch perfekte Wiedergabe mit geschmackvoll und gekonnt eingesetzten Rubato-Gesten, die dem Volksmusik-Abkömmling dieses Kodaly Trios Spontanität und Authentizität verleihen und die der Urwüchsigkeit ungarischer Volksmusik alle Ehre erweisen. Das „Dumky“ Trio steht dem Kodály Duo in Sachen Authentizität durch ständige Tempowechsel in nichts nach. Alexander Lonquichs Klaviersound platzt schier vor vielschichtiger Farbigkeit und seine beiden Partner, die das Kodály Duo so genial gestaltet haben bringen ihr umwerfendes Musikantentum auch im „Dumky „Trio voll ein. Ergänzt wird die Trio-Aufnahme durch eine Skizze seines dritten Satzes, die ganz andere musikalische Ideen entwickelt als dieser Satz des letztendlich gültigen Trios. Interessant ist dieser Blick in Dvořáks Komponier-Skizzenbuch allemal.
Dieses Kodály/Dvořák Album ist ein Kammermusikereignis allererster Güte, das mit dem Bonus einer hervorragenden Aufnahmetechnik versehen in jede ernsthafte Sammlung klassischer Highres-Downloads gehört.
Barnabás Kelemen, Violine
Nicolas Altstaedt, Cello
Alexander Lonquich, Klavier