Im Booklet zum neuen Album Prism IV bekennt sich das Danish String Quartet symphatisch und unumwunden zu ihrem jugendlichen Übermut, mit dem sie sich ursprünglich Beethovens späten Streichquartetten genähert hatten, ohne auch nur ansatzweise deren Botschaft zu erkennen. Dass dieser Ansatz in eine Sackgasse führen musste, wurde den vier jungen Musikern allerdings schnell klar: „Als wir das erste Mal mit Beethovens späten Streichquartetten in Berührung kamen, waren wir noch ziemlich jung. Eines der Quartette war obligatorisch in einem Wettbewerb, an dem wir teilnahmen, und so arbeiteten wir uns pflichtgemäß durch das Werk. Das war ein komplizierter Prozess, und obwohl wir am Ende alle Noten spielen konnten, hatten wir das Gefühl, nur an der Oberfläche der Musik zu kratzen.“ Der Schock wirkte nachhaltig auf die Gruppe, die diesen Missstand zum Anlass nahm, sich intensiv mit den späten Werken Beethovens für ihre Besetzung zu befassen. Dabei lernten sie, dass Beethoven fasziniert von Bachs Zyklus Das Wohltemperierte Clavier zahlreiche melodische Motive aus diesem Zyklus in seine fünf letzten Streichquartette übernahm. Beethovens Spätwerk ist also keine einsame Insel in der Musikgeschichte; es ist die Fortsetzung der Tradition, die von Bach und den alten Meistern begründet wurde. …So sind wir auf unser Projekt »Prism« gekommen. In jedem Album wird eine bestimmte Bach-Fuge vorgestellt, die mit einem der späten Beethoven-Quartette zusammenhängt, auf das sich wiederum ein Quartett eines späteren Meisters bezieht. … Wir hoffen, dass der Hörer mit uns das Wunder dieser musikalischen Lichtstrahlen erlebt, die von Bach über Beethoven bis in unsere Gegenwart gereist sind.“
Dieses Konzept hat das Danish String Quartet auch in ihrem vierten und vorletzten Album Prism IV in die Tat umgesetzt. Wiederum steht einem Beethoven-Quartett, sein Quartett Nr. 15 einem Werk von Bach gegenüber, nämlich seiner Fuge in g-moll, BWV 861 aus dem Wohltemperierte Clavier, das vom Beethoven Zeitgenossen Emanuel Aloys Förster zusammen mit den andren Stücken dieses Bach-Werks für Streichquartett bearbeitet wurde, und das von den vier Dänen vibratofrei zum Klingen gebracht wird. Beethoven hat aus der Bach-Fuge das aus vier Noten bestehende Hauptmotiv in sein Quartett Nr. 15 übernommen, das vom Danish String Quartet mit einem erfrischenden Sinn für Abenteuer und Freiheit zum Klingen gebracht wird. Dieser „jugendliche“ Ansatz steht im klaren Widerspruch zu den eher gewichtigen Interpretationen älterer Streichquartett-Ensembles, wie etwa dem Takács-Quartett. Die Vitalität, mit der die vier Dänen dieses Spätwerk Beethovens angehen, ist schlicht unwiderstehlich.
Dem Beethovenquartett stellt das Danish String Quartett auf Ihrem vierten Prism-Album neben Bach ein Jugendwerk Mendelssohns gegenüber, sein Streichquartett Nr. 2, das als Wiederhall des fünfzehnten Beethoven-Quartetts verstanden werden kann, da es wie das auf dem Album enthaltene Werk des Älteren dessen lebendige Geste, die kontrapunktische Energie, die harmonische Kühnheit und die formale Innovation jugendlich frisch spiegelt.
Mit Prism IV ist dem Danish String Quartet erneut ein starkes Album in dieser Serie gelungen, das seine interpretatorische Kompetenz in Sachen Beethovens letzte Streichquartette erneut unter Beweis stellt. Die Gegenüberstellung von jeweils einem Werk von Bach und Mendelssohn erhellt die Genialität Beethovens, die in der Sicht des Danish String Quartet ohnehin mehr als deutlich wird.
Danish String Quartet