Ohne Musik funktioniert so gut wie kein Film. Das haben Filmproduzenten schon in der Steinzeit des Tonfilms erkannt. Die Bedeutung von Filmmusik für einen Film kann so weit gehen, dass dieser ohne diese musikalische Beigabe nicht funktioniert oder zumindest deutlich an Stimmung und einbüßen würde. Vor allem Hollywood hat schier unübersehbare Reihe von Filmkomponisten hervorgebracht, von denen einige von Erich Wolfgang Korngold über Bernard Herrmann und Miklós Rósza bis John Williams ob Ihrer hohen kompositorischen Qualität zurecht als genial und vergleichbar gut zu so manchem klassischen Komponisten gelten. Dies nimmt auch nicht weiter Wunder, wenn man berücksichtigt, dass ein nicht kleiner Teil der älteren Filmkomponisten in Europa eine klassische Ausbildung genossen haben und im Rahmen des von der Judenverfolgung ausgelösten Exodus, wie etwa Erich Wolfgang Korngold in Hollywood gelandet waren.
Aber auch die Filmschaffenden in Europa konnten und können nicht auf Filmkomponisten verzichten. Als vorrangig in europäischen Filmproduktionsstätten aktives Ausnahmetalent galt der Italiener Nino Rota (1911 - 1979), der einen guten Teil der in der römischen Cinecittà entstandenen bedeutenden Filmwerke vertont hat. Unter anderen arbeitete er dort mit Federico Fellini and Luchino Visconti, aber auch mit Franco Zeffirelli, dessen Shakespear-Filme er als Komponist betreute. Aber auch Frank Coppolas Der Pate II lebt stimmungsmäßig zu einem guten Teil von den Beiträgen Nino Rotas.
Nino Rota schuf mehr als 150 Filmmusiken schrieb für italienische, aber auch für internationale Produktionen. Mit jährlich mindestens 3 Filmmusiken in den 46 Jahren seiner aktiven Zeit in hoher bis höchster Qualität, bis hin zu 13 Filmmusiken im Jahr 1954, gilt er in seiner Zunft als Vielschreiber. Bei all dem fand er noch Zeit für die Komposition von zehn Opern, fünf Balletten sowie Dutzender Orchester- und Kammermusikwerken. Schließlich war er in der Lehre tätig: nahezu 30 Jahre hatte er den Posten des Direktors des Liceo Musicale in Bari, Italien inne. Dieses mehr als ausgefüllte Leben des Nino Rota hat diesen nicht davon abgehalten, eine höchst eigene Musiksprache zu entwickeln zu verfeinern, die im Falle seiner Filmmusiken auf den jeweiligen Film zugeschnittene Stimmungsbilder Ausdruck findet. Ohne diese von Rota geschaffenen Stimmungsbildern würde ein guter der Teil Filme nicht „funktionieren“. Ein Beispiel hierfür ist Fellinis „Otto e mezzo“ ("8 ½"), in dem Fellini eine eigene Schaffenskrise verarbeitet. Aber auch die frühen Fellini-Filme wie etwa „La Strada“ leben zu einem guten Teil von Rotas Musik.
Was macht denn nun das Besondere an den Stimmungsbildern aus, die Nino Rota den Filmen Fellinis, aber auch den Filmen der anderen von ihm betreuten Filmemacher angedeihen lässt? Das Besondere sind weniger die recht kurzen, sehr eigentümlichen Melodien, die übrigens alle nicht zum Mitsingen geeignet sind, als vielmehr die enorme Dichte der Orchestrierungen, die den Filmzuseher geradezu in die Handlung des Films hineinsaugt. Das schafft in dieser Ausprägung kein anderer Filmkomponist, und schon gar nicht die aus Hollywood, deren Musiken, wie etwa John Williams „Star Wars“ auf Brillanz und Larmoyanz ausgerichtet sind, im Vergleich zu Rotas Musiken, die die psychologische Stimmungslage der Filmcharaktere und den Inhalt der Handlung penibel herausarbeiten, jedoch recht oberflächlich daherkommen.
Nino Rota war ganz klar ein kompositorisch eigenständiges Genie, das die von ihm vertonten Filmwerke zu einem einzigartigen Erlebnis überhöht. Nachvollziehbar ist das sogar ohne die Beigabe laufender Bilder, wie auf dem vorzüglich produzierten und von der bestens aufgelegten Filarmonica Della Scala unter der Leitung von Riccardo Chailly realisierten The Fellini Album, auf das hoffentlich weitere Ausgaben folgen werden.
Filarmonica della Scala
Riccardo Chailly, Dirigent