Nach seinem live aufgenommenen ersten Album Happening: Live at the Village Vanguard ist der Pianist und Komponist Gerald Clayton für sein zweites Album Bells On Sand zusammen mit seinem Vater John Clayton am Bass, seinem langjährigen Freund, dem Schlagzeuger Justin Brown und dem Saxophonisten Charles Lloyd ins Studio gegangen. Zu diesen hochgradigen Instrumentalisten gesellt sich für zwei Nummern der portugiesische Sänger MARO. Während sich das Debutalbum durch eine von der Liveatmosphäre im Village Vanguard Jazz Club motivierte lebhafte Gangart auszeichnet, kommt Bells On Sound ruhig und von Tute zu Titel zunehmend in sich gekehrt daher. Die kleinen Besetzungen bis hin zu Soloauftritten des Pianisten kommen der unaufgeregt ruhigen Gangart des wiederum auf dem Blue Note Label erschienenen Albums sehr entgegen, dessen Cover klar strukturiert gestaltet ist und dem Albumtitel entsprechend von Geisterhand geführt in den sonnigen Himmel vom sandigen Boden aufsteigende Glocken zeigt. Gerald Clayton erklärt dazu: "Jeder Musiker auf dem Album repräsentiert einen anderen Aspekt der Achse der Zeit und ihrer sich verschiebenden Sande. Mein Vater und Charles Lloyd, der für mich ein Mentor war, spiegeln neue Permutationen meiner Vergangenheit und die Linie der Älteren wider, die meine Entwicklung geprägt haben. Justin Brown, als mein Zeitgenosse und musikalischer Bruder, repräsentiert meine Gegenwart; und MARO repräsentiert die Zukunft - sie ist Teil der nächsten Generation und weist auf eine ganz neue Zusammenarbeit hin."
Der Stil des Pianisten ist geprägt von komplexen Akkordharmonien, delikaten Arpeggios und einem sich ruhig entwickelnden poetischen Gefühl, das mitunter an die Arbeit von Chick Corea erinnert. Es ist ein sehr persönlicher Sound, der stark von seinen musikalischen Wurzeln geprägt ist, die auf seinen Vater ebenso zurückgehen wie auf seinen Onkel, den Altsaxophonisten und Flötisten Jeff Clayton. Vier Eigenkompositionen und drei Covertitel finden sich auf dem Album. Für ein ganz besonderes Flair sorgt die Verbundenheit des Pianisten mit der Musik der klassik-Komponisten Federico Mompou, dessen Stücke „Elegia“ und „Damunt de tu Només les Flors“ er auf Bells On Sand eindrucksvoll interpretiert, ohne in die Originale verändernd einzugreifen: „Mompous Musik ist so meisterhaft angelegt, so sparsam in der Ausbreitung seiner Stimmungen, dass es sich ein wenig unnötig anfühlt, ihr etwas Originelles hinzuzufügen. Meine Versuche, zum Beispiel Melodien über seine Harmonien zu komponieren, fühlten sich wenig überzeugend an. Ich würde unweigerlich zu dem zurückkehren, was er geschrieben hatte“.
Die dem unlängst verstorbenen Trompeter Roy Hargrove gewidmete Nummer „That Roy“ und den Titel „Rip“ gestalten Gerald Clayton und Justin Brown gemeinsam. Zu „Rip“ und seinen Mitspieler Brown führt Gerald Clayton aus: „Die Melodie ist einfach eine Form, die herumschwimmt und an einem Ort feststeckt. Sie bricht nie wirklich aus. Justin verstand die Wahrheit und die Spannung dieses Konzepts - ich musste ihm nicht wirklich eine Richtung vorgeben. Er hat es einfach verstanden.“ „There Is Music Where You're Going My Friends“ ist eine Hymne an Liebe und Hoffnung in der sich Clayton an seinen geliebten Onkel erinnert. Das mit acht Minuten längste Stück auf Bells On Sand ist Claytons Duett mit Charles Lloyd in der ergreifenden Ballade „Invocation for Peace“ aus Claytons Feder. Dieses Duo zeigt eindrucksvoll, zu welchem Grad an Übereinstimmung zwei Musiker kommen können, wenn sie in verschiedenen Formationen über viele Jahre hinweg gemeinsam musizieren.
Noch relativ früh im Jahr erschienen hat Bells On Sand durchaus hat das Potential, eines der besten Jazz- Alben des Jahres 2022 zu werden.
Gerald Clayton, Klavier, Orgel (Track 5) Fender Rhodes (Track 5), Vibraphon (Tracks 5, 6)
John Clayton, Bass (Tracks 1, 2, 3)
Justin Brown, Schlagzeug (Tracks 1, 3, 5, 6)
MARO, Gesang (Tracks 3, 7)
Charles Lloyd, Saxophon (Track 9)