Ein Duo aus tieflagigem Streichinstrument und Blechblasinstrument gehört nicht gerade zu den Standardbesetzungen von Musikensembles, nicht einmal des diesbezüglich eher findigen Jazz. Im Fall von Summerwind haben sich ein Kontrabass bzw. Cello mit einer Trompete bzw. einem Flügelhorn zusammengetan. Das Ergebnis ist rein klanglich gesehen kurios und durchaus gewöhnungsbedürftig. Hat man sich erst einmal eingehört, was ohne Weiteres wohl bereits nach den knapp vier Minuten von „Autumn Leaves“ in der Besetzung gestopfte Trompete und gezupfter Kontrabass, dem Eröffnungstitel der Fall sein wird, der das originale Thema kunstvoll variiert, und der ein Album für die stillen Stunden nach Feierabend verspricht, ist man gespannt, was die zunächst als seltsam empfundene Instrumentenkombination noch zu bieten hat.
Es folgt „Saluto Dardamente“, einer der auf den Trompeter zurückgehende Titel (von denen die meisten so um die vier Minuten spielen), der die Feierabendstimmung weiter variiert überzeugt mit elegantem, zartem Trompetenspiel ohne Dämpfereinsatz und rhythmisch pointierter Doppelbassbegleitung. À la Miles Davis in den Sechzigern geht es noch ein Stück entspannter weiter mit „Le Matin“. „Stilla Storm“ stammt aus der Feder des Cello/Bass-Spielers. Hier trägt das Flügelhorn die Melodie mit relativ lang gehaltenen Tönen in den Zenit, um sie dann an Barockkompositionen erinnernd kurz und bündig zu variieren. Auf dieses zweitkürzeste Stück des Albums folgt „Jag lyfter ögat mot himmelen“ („I lift my eye toward the sky”), das dem tiefen Streichinstrument Raum für ein ausgeprägtes Solo mit aus dem Off hereinscheinenden Trompetenrufen gibt, und das seinem Titel in Art eines Kirchenlieds alle Ehre gibt . In „Un vestido y un amor“ tönt die gestopfte Trompete zunächst aus dem Off in den gezupften Bass, bevor sie an die Rampe tritt, wo sie der jetzt weit ausgreifend gestrichene Bass sie empfängt und zu einem kleinen Love Song animiert.
Auf das keine zwei Minuten dauernde, vergleichsweise überraschend lebendige, von beiden Instrumenten gleichberechtigt vorgetragene, kurzweilige „Drexciya“ folgt mit „Dardusó“ ein live im Studio mit prägnantem Bass-Solo improvisiertes, teilweise klanglich verfremdetes Stück. „Stanna Tid“ („Stop Time“) bringt von Bassgrummeln begleiteten, vollen Flügelhorn-Einsatz sowohl vorn an der Rampe wie weit hinten im Off. Das Ganze verklingt schlussendlich unisono weit weit weg, nahe dem Jenseits. „Sleep Safe And Warm“ überträgt of Bachs "Wachet auf, ruft uns die Stimme" in die entspannte Welt des Trompeten-Cello-Duos. Und siehe da, es ist gar nicht viel Improvisation erforderlich, um den Altmeister in die Welt des Jazz zu transferieren. Wunderschön gespielt. Spätestens mit „April in Dardegna“ befindet man sich als Zuhörer im Sog dieser kontemplativ immer weiter und weiter strömenden Musik, so dass man nach dem letzten Titel „De La Solitude Mesurée“ unweigerlich Repeat aktiviert. Achtung: dieses Album birgt Suchtgefahr.
Wem hier zu viel Entspannung im Spiel ist, der sollte sich fragen, ob er nicht bereits vollständig seiner hektischen Umwelt verfallen ist. Gerade dem würde eine längere Kur mittels Summerwind guttun. Ach ja, bei den Herren von Summerwind handelt es sich um Lars Danielsson, Trompete und Flügelhorn und Paolo Fresu, Cello und Kontrabass, der eine ein Norwegen, der andere ein Italiener und beide gestandene Jazzmusiker, über deren Verdienste nicht weiter berichtet werden muss. Jeder kennt sie, und wer nicht, weiß nach diesem Album Bescheid, dass wir es bei ihnen mit hoch talentierten Klang- und Stimmungszauberern zu tun haben.
Lars Danielsson, Bass, Cello
Paolo Fresu, Trompete, Flügelhorn