Ähnlich den Minnesängern des Mittelalters zogen im 18. Jahrhundert Barytonisten von Hof zu Hof, um der fasziniert lauschenden und zuschauenden adligen Zuhörerschaft den ganz besonderen Klang ihres Saiteninstruments zu präsentieren, das sowohl per Bogen gestrichene, wie per Finger gezupfte Saiten umfasst. Nicht zuletzt das einzigartige Aussehen des Barytons in Form einer Viola da Gamba mit Fenster in seinem schlanken Hals, durch die die Zupfsaiten parallel zu den Streichsaiten auf der Halsvorderseite betätigt werden, machte die Attraktion dieses Instruments aus, das seinem Spieler einiges an Verrenkungen abfordert, um es in vollem Umfang mit per Finger der einen Hand gezupften und der anderen Hand gestrichenen Saiten zum Tönen zu bringen. Entscheidend für den Klangcharakter ist seine Bestückung mit Spielsaiten aus Darm und darunter aufgespannten Resonanzsaiten aus Metall, eine Bestückung, die das Baryton zum Verwandten der Viola d’amore und der Hardangerfiedel macht, die unter anderem in Folkmusikgruppen unserer Zeit fröhliche Urstände feiert. Wenn die ungestimmt belassenen Resonanzsaiten nicht gewissermaßen von hinten durch die Brust gezupft werden, klingen Sie von den Spielsaiten in Resonanz angeregt mit, was zur Folge hat, dass das wie ein Cello über einen Stachel am Boden abgestützte Baryton harmonisch ausladender tönt als seine unmittelbarer Verwandte, die Viola da Gamba, von der sie abgeleitet ist.
Stets auf der Suche nach dem besonderen Etwas, das seinen Hof von anderen europäischen Höfen abhob, usurpierte Prinz Nikolaus Esterházy das Baryton für den seinigen, indem er berühmte Spieler nicht nur durchziehen ließ, sondern engagierte, und indem er seinen Haus- und Hof-Komponisten Joseph Haydn dazu verdonnerte, dem Baryton zahlreiche Kompositionen zu widmen. Auf nicht weniger als 175 Werke beläuft sich das kompositorische Schaffen Haydns um das Baryton, darunter 126 Trios für Baryton, Viola und Cello, von denen drei Trios auf dem Album Maddalena and the Prince mit als Barytonistin Maddalena Del Gobbo, Robert Bauerstatter an der Viola und David Pennetzdorfer am Cello zu hören ist. Auf dem Album, dessen Titel sich auf die Barytonspielerin und den Prinzen Esterházy bezieht, sind außerdem vom hier versammelten Trio Werke von Andreas Lidl, Franz Xaver Hammer and Aloisio Luigi Tomasini zu hören, die sämtliche mit dem Hof des ungarischen Prinzen verbunden waren bzw. praktischerweise dort im von Haydn geleiteten Orchester dienten. Aber auch der Prinz war höchst selbst am Baryton tätig und hat es so rundum verdient, im Titel des aktuellen, dem Baryton gewidmeten Album genannt zu werden.
Im 19. Jahrhundert geriet das Baryton wegen der geänderte Klangästhetik mehr oder weniger in Vergessenheit, um im 20. Jahrhundert zusammen mit der Originalklangbewegung fröhliche Urstände zu feiern. Maddalena Del Gobbo, die von Hause aus Cellistin ist, die Viola da Gamba dem Cello jedoch vorzieht, fühlt sich zu diesem Dinosaurier ob seines noblen und gleichermaßen charmanten Klangs, nicht zuletzt aber auch wegen seines herzerwärmend barocken Aussehens hingezogen und hat es sehr genossen, dass die Aufnahmen im Palast der ungarischen Prinzen in Eisenstadt stattgefunden haben. Akustisch trägt die prinzliche Location dazu bei, dass das Spiel des Trios, das im Werk von Franz Xaver Hammer um ein von Ewald Donhoffer gespieltes Cembalo erweitert ist, stets durchsichtig bleibt, dabei jedoch dem zur Heiserkeit tendierenden Baryton wohlige Wärme verleiht. Die auf Maddalena and the Prince präsentierten und ganz vorzüglich interpretierten Werke unter Einbindung des exotischen Baytonklangs, allen voran die drei Trios von Haydn, zeigen allerhöchste Meisterschaft und lassen nachvollziehen, dass „der Prinz“ das Baryton als Haus- und Hofinstrument usurpiert hatte.
Maddalena Del Gobbo, Bariton, Viola da Gamba
Robert Bauerstatter, Viola
David Pennetzdorfer, Cello
Ewald Donhoffer, Cembalo (Tracks 7–11)