In orchestralem Streichersound badende Songs sind nicht unbedingt jedermanns Sache. Sicherlich nicht für viele Jazzfans, die Melody Gardot zumindest zu Beginn Ihrer Karriere mit Ihrer Sangeskunst vornehmlich angesprochenen hat. Nach wie vor eine klasse Jazzsängerin, hat sie sich zwischenzeitlich ihren eigenen Stil des Musikmachens erarbeitet, der äußerlich dem Pop nahesteht, innerlich jedoch weiterhin im spektral vielfältigen Licht des Jazz leuchtet. Ihr während des ersten Lockdowns entstandenes neuestes Album Sunset In The Blue fällt mit den überwiegend ruhig bis sehr ruhig dahinfließenden, auf Samtpfoten daherkommenden Songs in die Kategorie Easy Listening, die geeignet sind, am Feierabend mit einem Glas Whisky in der Hand der wohlverdienten Entspannung vom Tagesgeschäft entgegen zu träumen. Die weitgehende Gleichstimmigkeit der Songs, die vom entspannten Genießen nicht unnötig ablenkt, tut dabei ein Übriges.
Die überaus gefällige, dessen ungeachtet jedoch spannende Gangart dieses Albums verdankt es neben den von Melody Gardot ausgewählten Song-Klassikern und den teilweise von ihr selbst komponierten Songs weniger der orchestralen Begleitung als vielmehr den wie Edelsteine aufblitzenden Saxophon-Soli, der virtuos geführten Gitarre, der kompetenten Kontrabass- und Schlagzeug-Begleitung. Die Klassiker “Moon River”, Ave Maria” und “From Paris With Love” erfahren durch Melody Gardot fern einfacher Coverversionen eine prononcierte Neugestaltung mit direktem, unverzärtelten Zugriff. Als Höhepunkt erweist sich „Ninguem, Ninguem”, eine von zwei portugiesisch-sprachigen Songs des Albums aus der Feder von Melody Gardot, die einen Gegenpol zur ansonsten weitgehend gefälligen Gangart des Albums definiert.
Das Album enthält in Gestalt des Songs "From Paris With Love" eine Besonderheit: Rund vierzig Musiker aus der ganzen Welt haben dazu ihre auf dem Album im Song “From Paris With Love” vertretenen Beiträge am 1. Mai 2020, dem internationalen Jazz-Tag individuell eingespielt.
Mit Sunset In The Blue ist Melody Gardot ein atmosphärisch dichtes, überzeugendes Album gelungen. Alle, die sich für den orchestralen Streichersound nicht so recht zu begeistern vermögen, der dem Großteil der Songs des Albums zumeist als Hintergrund dient, mögen sich fragen, ob es sich nicht noch um einen Zacken verbessern ließe durch nachträgliche Beseitigung der orchestralen Überzuckerung der Songs: Die kompetente Gitarren-, Saxophon- Bass- und Schlagzeugbegleitung auf Sunset In The Blue würde alleine völlig ausreichen, um den Gesang von Melody Gardot in einen kitschfreien, den Songs angemessenen instrumentalen Rahmen zu setzen. Da heutzutage Studio-Alben mehrspurig produziert werden, sollte es im Rahmen einer Special Edition von Sunset In The Blue möglich sein, die Spur mit dem Orchestersound zu eliminieren.
Melody Gardot, Gesang
Sting, Gesang
Phillippe Baden Powell, Klavier
Till Bronner, Trompete
Donny McCaslin, Tenorsaxophon
Antoine Chatenet, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Synthesizers
Dominic Miller, Gitarre
Anthony Wilson, Gitarre
Dadi Carvahlo, Gitarre
Nando Duarte, Gitarre
Larry Klein, Gitarre, Bass
John Leftwich, Bass
Sam Minaie, Bass
Chuck Berghofer, Bass
Vinnie Colaiuta, Schlagzeug
Chuck Staab, Schlagzeug
Paulinho Da Costa, Percussion
Royal Philharmonic Orchestra
Vince Mendoza, Orchesterarrangements