Murray Peraiha, der 2017 auf sein 70. Lebensjahr zusteuert, ist einer der wenigen verbliebenen Pianisten „alter Schule“. Dabei handelt es sich um Relikte einer aussterbenden Tastenzunft, die das Glück der frühen Geburt hatten, deren Laufbahn zu einer Zeit Fahrt aufnahm, als es darum ging, den Pianisten an seiner Kunst reifen zu lassen, anstatt wie heutzutage einen nach dem anderen ungeachtet seiner künstlerischen Entwicklung so früh wie möglich dem Konzertpublikum als klavierspielendes Technikwunder in den gierigen Rachen zu werfen. Kurzfristiges Verfallsdatum inklusive. Oder wissen Sie von einem jungen Pianisten, der auch nur zehn Jahre später noch zur Kenntnis genommen wird? Oder der wie Murray Peraiha aufgrund seiner in aller Ruhe gereiften Kunst nach mehr als 50 Jahren Konzerttätigkeit unangefochten seinen Platz im Firmament der Meisterpianisten hält? Dokumentiert ist seine Meisterschaft auf zahlreichen Platten- und CD-Aufnahmen und heutzutage auf Downloads, unter anderem mit einer Ausbeute von 67 CDs, die über vierzig Jahre von CBS/Sony worden sind, und die nach wie vor alle erhältlich sind.
Johann Sebastian Bach ist in jüngerer Zeit einer der Komponisten, die in der Diskographie Murray Peraihas einen prominenten Platz einnimmt. So nimmt es auch nicht Wunder, dass der in London lebende US-amerikanische Pianist seine neue Partnerschaft mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft mit einer Neuaufnahme der sechs Französischen Suiten des Eisenacher Komponisten feiert, die zwischen 1722 und 1724 für das Cembalo bzw. Clavichord entstanden sind.
Einspielungen dieser Werke Bachs liegen für die historischen Tasteninstrumente ebenso vor wie für den modernen Flügel. Der in der Vergangenheit recht heftig geführte Streit der Gelehrten, welches Instrument zur Wiedergabe der Werke am besten geeignet ist, hat sein Ende darin gefunden dass nunmehr Einigkeit darin besteht jedes Instrument seine Berechtigung hat. Murray Peraiha setzt ebenso wie jüngst Angela Hewitt oder ehemals Glenn Gould auf den Flügel. Im Gegensatz zur extremen Deutung durch den dem Jazz nahestehenden, eine kühle Sicht der Dinge bevorzugenden Bach-Revoluzzer Glenn Gould bevorzugt Peraiha eine eher der herkömmlichen Interpretation verpflichtete, warme, emotional aufgeladene Sicht auf Bachs Französische Suiten als Ausfluss einer ausgefeilten Anschlagskultur, die sein Markenzeichen ist. Anstelle des Gouldschen Swings, der die Suiten mitunter in die Nähe des Jazz rückt, sorgt Murray Peraiha dafür, dass die spezielle Anmut der barocken Tanzform Allemand, Courante, Sarabande und Menuett gewahrt ist. Insgesamt ist seine eher konservative Sicht auf die Suiten von faszinierender Eleganz geprägt. Diskret eingesetzt wird das Pedal zum Mittel feiner Farbgebung. Dadurch, dass Wiederholungen unterschiedlich gestaltet sind, kommt Abwechslung und Spannung ins Spiel. Nicht zuletzt erweist sich ist Murray Peraiha erneut als ein Meister darin, die dem Flügel innewohnende Klangfarbenpalette und dynamische Spannweite voll auszuschöpfen, wodurch dieser den in diesen musikalisch so entscheidenden Disziplinen deutlich reduzierten Möglichkeiten von Cembalo und Clavichord klar überlegen ist.
Musikalischer und ausgewogener als Murray Peraiha kann man Bachs französische Suiten wohl kaum zu Gehör bringen, ihnen wohl kaum besser gerecht werden. Das ästhetische Vergnügen, das der Pianist dem Hörer bereitet wird spiegelt sich in der Aufnahmequalität des Downloads, die den Flügel glaubhaft in den Raum stellt und ihm stets ungehindert Luft zum Atmen lässt. Rundherum ein wahres Vergnügen.
Murray Perahia, Klavier