Vivaldi mit den italienischen Spezialisten für Alte Musik Il Giardino Armonico ist nun wirklich an sich nichts Neues. Etwas Besonderes ist dieses Vivaldi gewidmete Album trotzdem, und zwar wegen der speziell für die fünf Vivaldi-Konzerte auf diesem Album von italienischen Komponisten geschriebenen kurzen Zwischenspiele, die Vivaldis Schaffen für unsere Zeit widerspiegeln. Ergänzt werden diese Zwischenspiele durch ein wenig Bartok sowie ein kleines Stück Probenaufnahme. Letztere ist eine Stimmübung, die unabsichtlich von den Mikrofonen erfasst und aufgezeichnet worden ist. Sie ist ein Schlüssel dafür, wie bestimmte Konzertsätze auf diesem Album derart schnell, rhythmisch wach und gut ohne jegliche musikalische Kompromisse artikuliert werden konnten. Giovanni Antonini, der langjährige von Leiter Il Giardino Armonico kommentiert, warum die Probenaufnahme es auf das Vivaldi-Album geschafft hat wie folgt: „Es handelt sich dabei eigentlich um eine Rhythmusübung während einer Probe zu Aureliano Cattaneos Estroso (dem nachfolgenden Titel), die ohne unser Wissen vom Tonmeister mitgeschnitten wurde. Es ist genauer gesagt eine „Stilübung“, weil der Mittschnitt von unseren Stimmen erzeugt ist, ohne eine festgelegte Bedeutung zu haben, weil die Klänge einfach aus Konsonanten und Vokale bestehen. Mich erinnert das ganz vage an den „Bolo-Bob“ der indischen Musik und zugleich an Adventures von György Ligeti.“
Auch wenn die neu komponierten Zwischenspiele wohl unvermeidlich weniger imposant sind als die Vivaldi-Stücke dieses Albums, schaffen sie es, seine Musik zu reflektieren. Hervorzuheben ist „Dilanio Avvinto“ von Marco Stroppa, das durchaus im Sinne Vivaldis etwas von einem Schaukampf zwischen einem Vogel und einer Biene für Violine und Blockflöte hat. Die anderen Zwischenspiele dekonstruieren und brechen die Kompositionen Vivaldis auf diesem Album, die in größtmöglicher Virtuosität mit mitunter geradezu unwirklichen Tempi gespielt werden und an Überraschungen nicht sparen, wie etwa ungewöhnlich variierte originale Rhythmen und Harmonien, vokale Beiträge und dem überraschenden Einsatz einer Windmaschine in „La tempesta di mare“.
Zu dem irrwitzigen musikalischen Feuerwerk, das Il Giardino Armonico unter Giovanni Antonini auf What's Next Vivaldi? abbrennen gesellt sich vollständig gleich gestimmt die Violine der wie stets großartigen Patricia Kopatchinskaja, die nichts weniger als ein barfüßig auftretendes Energiebündel ist und dieses Vivaldi- Album sowie ihre Beziehung zu Il Giardino Armonico und Giovanni Antonini wie folgt kommentiert: „Diese Aufnahme lädt Vivaldi in ein Zeitlabor ein, verwickelt ihn in einen Dialog mit heutigen kreativen Stimmen aus Italien, die ihm als Zeitreisenden vorspielen, wo sich heutige Horizonte erstrecken: Wir haben fünf jüngere italienische Komponisten zum Experiment verführt, in Miniaturen auf Vivaldis Musik zu reagieren. Eine Mixtur von alt und neu, Schiffe voll von exotischen Stoffen und Gewürzen, Gerüche von Märchen, Orient, Sturm und Schießpulver. Die Entdeckung von Il Giardino Armonico wirkte auf mich als junge Studentin wie ein veritabler Schock, wie eine Droge. Seine waghalsige, bizarre Klangsprache, seine Artikulation und Verzierungen, die die Frische neuer Musik atmen, erinnern mich an die Volksmusik meiner Eltern. Mein radikale Art zu Hören bestätigt sich in dieser Art zu musizieren: Ungeachtet von Zeit und Stil ist es entscheidend, der Musik nichts schuldig zu bleiben, sie mit allen Sinnen echt und gefährlich zu leben. Mit diesen Individuen und Ihrem kongenialen Leiter Giovanni Antonini spielen und aufnehmen zu dürfen, gehörte seitdem zu meinen abenteuerlichsten Träumen.“
Dass sich diese Träume mit What's Next Vivaldi? verwirklicht haben ist ein klarer Gewinn für alle dem Neuen aufgeschlossene Anhänger des großen italienischen Komponisten, die mit diesem Album einen wahren Schatz ihr eigen nennen können.
Patricia Kopatchinskaja, Violine
Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini, Dirigent