Tonhalle-Orchester Zürich & Paavo Järvi – Tchaikovsky: Symphony No. 5 & Francesca da Rimini

Review Tonhalle-Orchester Zürich & Paavo Järvi – Tchaikovsky: Symphony No. 5 & Francesca da Rimini

Das Tonhalle-Orchester Zürich kann auf gut 150 Jahre ununterbrochene Konzerttätigkeit zurückblicken. Damit gehört es zu den europäischen Traditionsorchestern, dessen Profil im Lauf der Jahre durch namhafte Dirigenten in Gast- und Chefposition geformt wurde. Spätestens seit der Tätigkeit seines langjährigen Chef- und heutigem Ehrendirigenten David Zinman, zählt das Orchester zur Weltklasse. Es war vorrangig der Beethoven-Zyklus unter Zinman mit seiner historisch orientiert klaren Sicht auf das sinfonische Werk des Bonner Komponisten, die als Vorbildfunktion für andere Orchester mit moderner Instrumentenbesetzung bis heute nachwirkt. Seit der Saison 2019/2020 hat die Chefposition beim Tonhalle-Orchester der estnische Dirigent Paavo Järvi inne, der sich unter anderem als Chef des hr-Sinfonieorchesters als erstklassiger Orchestererzieher einen Namen gemacht hat, und der außerdem seit 16 Jahren künstlerischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ist und parallel hierzu seit der Spielzeit 2015/2016 Chefdirigent des NHK Symphony Orchestra. Paavo Järvi gehört aufgrund seiner zahlreichen Engagements als Orchesterchef zur Generation heutiger Dirigenten, die dank Flugverbindungen auf nahezu sämtlichen Kontinenten quasi gleichzeitig anwesend sind. Allerdings darf er im Gegensatz mancher „Fliegenden Holländer“ für sich in Anspruch nehmen, jedem seiner Orchester vollen Einsatz zu bieten, einschließlich ausgiebiger Probenarbeit. Das Ergebnis ist bereits nach kurzer Zusammenarbeit mit dem Tonhalle-Orchester auf der Video-Streaming-Plattform medici.tv und jetzt auch auf seinem Tschaikowski gewidmeten neusten Album mit dem Züricher Orchester nachhörbar.

Das Album bildet das erste einer geplanten Gesamteinspielung der Sinfonien und sonstigen Orchesterwerke des russischen Komponisten. Da die Aufnahmen, wie im Fall des nunmehr erschienen ersten Tschaikowski-Albums mit Publikum geplant sind, bestimmt Covid-19 das Erscheinen weiterer Alben maßgeblich mit, will heißen: zunächst stagniert das Projekt wohl fürs erste. Erfreuen wir uns also am ersten Album mit der fünften Sinfonie und der Tondichtung Francesca da Rimini. Was die Interpretation Järvis im Vergleich zu den deutlich wilder attackierenden, das der fünften Sinfonie innewohnenden Thema Schicksal drastisch auslebender, auf dem Tonträgermarkt erhältlichen Konkurrenzaufnahmen des Orchesterschlachtrosses auszeichnet, ist der auch in turbulenten Szenen stets exquisite, zivilisierte Sound des Tonhalle-Orchesters. Das Drama dieser Sinfonie, wird nicht vordergründig auftrumpfend abgeliefert, vielmehr ereignet es sich weitgehend, vor allem im ersten Satz und im Andante in der Binnenstruktur der Partitur. Durch zurückhaltendes Spiel ereignen sich magische Momente. Der mit entwaffnender Finesse musizierte Walzer des dritten Satzes lässt dem Zuhörer Luft zum Atmen nach der vorausgehenden Dramatik, bevor mit dem letzten Satz das Drama durch spannungserhöhendes leises Geigenspiel raffiniert strukturiert erneut entzündet wird, hell aufflammt und dem Untergang entgegen rast.

Dies ist eine Interpretation der Schicksalsinfonie Tschaikowskis für den erfahrenen, aufgeklärten Zuhörer, der auch Willens ist, die üblicherweise als höllenmäßig überhitzt interpretierte Tondichtung Francesca da Rimini bei zurückgenommener Hitze als zivilisierte inszenierte, orchestral perfekt ausgeleuchtete Alternative zu akzeptieren.

Tonhalle-Orchester Zürich
Paavo Järvi, Dirigent

Tonhalle-Orchester Zürich & Paavo Järvi – Tchaikovsky: Symphony No. 5 & Francesca da Rimini

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