Daniel Hope sieht sich selbst als Geiger, dessen Bestimmung es ist, als ewig Suchender das Schicksal seiner jüdischen Herkunft im engen familiären und im weiteren Sinne zu erkunden. Auf seinem neuesten Album folgt er den Spuren von Tonsetzern, die dem Dritten Reich entfliehen konnten und die im amerikanischen Hollywood, dessen Studios ihnen Broterwerb ermöglichten, ihr Glück suchten, zum Teil wohl auch fanden und dabei den einzigartigen Filmsound schufen, den Hollywood mindestens genau so berühmt machen sollte wie seine Filmschauspieler. Dieser vor acht Jahrzehnten aus der Vertreibung und Auslöschung eines Volkes hervorgegangene Sound klingt bis heute in Hollywood-Produktionen wehmütig nach, wie etwa in Schindler’s Liste, Cinema Paradiso oder Amercian Beauty, weshalb die nachgeborenen Komponisten dieser kinematografischen Meisterwerke ehrenhalber Aufnahme in die von Daniel Hope für sein Album Escape to Paradise zusammengestellten Liste der unfreiwilligen Emigranten der dreißiger und vierziger Jahre gefunden haben. Daniel Hope, der in Südafrika geborene, in Frankreich und Großbritannien, wo er von Zakhar Bronim im Geigenspiel ausgebildet und von Yehudi Menuhin gefördert wurde, aufgewachsene und in Deutschland lebende Geiger und Schriftsteller konnte für das den komponierenden Hollywood-Größen gewidmeten Album eine Schar illustrer Mitstreiter begeistern, einschließlich Sting, mit denen er bereits Crossover-Projekte realisiert hatte, und Max Raabe, deren beider Namen man nicht unbedingt mit der Klassikszene verbindet. Gibt man sich dem neuen Album von Daniel Hope bedingungslos und vorurteilsfrei zuhörend hin, wird man vom luxuriös leuchtenden Sound Hollywoods wie von einem riesigen Ozean durchflutet, der bei allem ihn farbig ausleuchtenden Sonnenschein nicht frei von gefährlichen Untiefen ist, in denen seine Komponisten ihr ganzes Unglück versteckt haben, das mit unfreiwilliger Emigration schon immer einher gegangen ist. Korngolds Violinkonzert beansprucht die Rolle des kompositorischen Schwergewicht der Hollywood- Erzählungen Daniels Hopes, der sich hierin als Solist durchaus in gefährliches Fahrwasser begibt, das von keinem geringeren als Jascha Heifetz als einer der ersten Interpreten für alle nach ihm kommenden Geiger maßstabsetzend durchpflügt worden ist. Den kühlen Ansatz Heifetz‘ kontrastiert Hope mit seiner heißblütigen, dem Sentiment nicht abholden, niemals jedoch ungebührlich sentimental daher kommenden Gangart, die den Gegenpol zur Interpretation des großen Vorbilds markiert und auf ihre Art nicht weniger fasziniert. Daniel Hope zählt offensichtlich zu den Geigern, die eine eigene Meinung und mehr zu sagen haben als die Heerschar der nachrückender auf Nur-Virtuosität getrimmter Geigerinnen und Geiger. Und wer wie Daniel Hope als Musiker und Mensch wirklich etwas zu sagen hat, vermittelt uns auch die kleinen und kleineren Stücke, denen wir auf seiner Hollywood-Entdeckungstour begegnen, so dass man zwar ihre nachgeordnete Wertigkeit erkennt, sich jedoch nicht genieren muss, Freude aus der Begegnung mit ihnen zu ziehen. Und Freude kommt auch ganz entschieden auf, wenn man auf der kurzweiligen Exkursion Sting und Max Raabe begegnet. Während der erstere durch sein gebrochenes Timbre das Heimweh und das Vertriebenenschicksal der Hollywood- Komponisten geradezu verkörpert, führt uns Max Raabe mit seiner lasziven Sangeskunst direkt bis an den Abgrund, der sich unmittelbar hinter dem fröhlich swingenden Vordergrund auftut. Klare Sache: ein Schritt zu weit, und es ist um einen getan. Was wäre der klassische Hollywood-Sound letztendlich ohne einen breit und weiträumig aufgespannten Klangteppich? Da die Aufnahmetechnik sich auf Escape to Paradise nicht lumpen lässt und der hochaufgelöste Download stets den Blick auf die Klangkulisse unversperrt frei gibt, steht dem vollen Genuss des neuen Daniel Hope Albums nichts im Wege.
Spektrogramm
Abtastrate 96 kHz: verifiziert
Abtastbreite 24 Bit: in Ordnung
Kommentar:
Technisch mögliches Spektrum voll ausgeschöpft.