Es müssen nicht immer die Wiener Philharmoniker sein, wenn es um die gekonnte Pflege Wiener Walzer-, Polka- und Galopp-Kultur geht. Und es braucht nicht speziell den Neujahrstag, um den diesbezüglichen Schmankerln der Strauss-Dynastie zu frönen, der man nachsagt, den Wiener Walzer erfunden zu haben. Es dürfen schon auch mal die Wiener Symphoniker sein, die es zwar nicht verdient haben, im Schatten der Philharmoniker zu stehen, die es jedoch gewohnt sind, in Wien die zweite Geige zu spielen. Da tut eine vom Dirigenten des brandneuen Albums „Johann Strauss“ Manfred Honeck, aktuell Chef des Pittsburg Symphony Orhestra, verabreichte Portion Streicheleinheit der wunden Seele der Symphoniker sicherlich gut: „Es war mir eine besondere Freude und Ehre, mit den Wiener Symphonikern Musik der Brüder Strauss einzuspielen, denn sie sind nicht nur mit den Traditionen des Rubatospiels und des sogenannten Nachschlagens bestens vertraut, sondern besitzen außerdem jenes ausgeprägte Einfühlungsvermögen, das unabdingbar ist, um dem einzigartigen Charakter jedes einzelnen Strauß-Werkes gerecht zu werden“. Na also, es geht doch. Genau diese unverwechselbar urwienerische Art mit Walzer, Polka und Galopp umzugehen, ist eben nicht das exklusive Markenzeichen der Philharmoniker, sondern im gleichen Maße das Aushängeschild der Symphoniker aus der österreichischen Donaumetropole.
Das vorliegende Album ist der aktuelle Beweis für diese Tatsache. Allerdings muss ein Orchester in der Tat an den Gestaden der blauen Donau heimisch sein, um diese Art von Musik mit der Portion an lässigem Schmäh abliefern zu können, der sie zu etwas Einzigartigem adelt. Gesellt sich zum Wiener Orchester dann noch ein ehemaliges Orchestermitglied als Dirigent, wie seinerzeit der Primarius der Wiener Philharmoniker Willi Boskowsky oder der ebenfalls aus diesem Orchester hervorgegangene Manfred Honeck, ist das Walzerglück perfekt. Dass es dafür jedenfalls eines der beiden Wiener Traditionsorchester bedarf, lässt sich auf der CD „Strauss in Berlin“ mit den dortigen Philharmonikern nachhören. Selbst der formidable ehemalige Wiener Symphoniker Nicolaus Harnoncourt, der die mit Nachschlag angereicherte Wiener Rubatoseeligkeit bereits mit der Muttermilch eingesogen hat, vermag aus den Berlinern kein lässig wienerisch agierendes Walzerorchester zu formen. An der Spree ist ein Walzer halt ein Rundtanz im Dreivierteltakt und kein Wiener Walzer und Polka und Galopp sind seine schnelle Variante im Zweivierteltakt. Fern ist der Donaustrand.
Auf dem „Johann Strauss“ Life-Album mit golden glänzendem Cover präsentieren die Wiener Symphoniker unter eigenem Label Ouvertüren, Walzer, Galopps und Polkas nicht nur von Johann Strass II, sondern auch von seinen Brüdern Eduard und Josef. Das Album sollte also korrekterweise heißen „Johann Strass II und seine Brüder“. Wie auch immer, wichtiger ist, dass Orchester und Dirigent Stück für Stück hellwach deren jeweils spezifisches Idiom, das sie traumwandlerisch beherrschen, scheinbar locker herausarbeiten, also stets den genau richtigen Ton treffen, und dass sie damit dem Zuhörer die Welt der drei Straussbrüder auf hohem Niveau spielend eröffnen. Nicht auf Grundlage des saftigen, ein wenig selbstgefälligen Sounds der Philharmoniker, sondern auf Grundlage eines eleganten, frischen, vielfarbig funkelnden Klangs, der den Strausstänzen mindestens so gut ansteht wie die beinahe schon gemütliche Gangart der philharmonischen Konkurrenz.
Neben der fein ausgehörten Ouvertüre zur Operette „Zigeunerbaron“ von Johann Strauss, seinem herrlich schmissigem „Furioso“ und seiner Polka schnell „Unter Donner und Blitz“, die in keinem Neujahrskonzert fehlen darf, gibt es aus dem Walzer-Imperium der drei Straussbrüder Tierisches aber auch Pflanzliches zu bestaunen von Eduards „Die Biene“ über Josefs „Die Libelle“ bis zu Johanns hinreißenden „Dorfschwalben aus Österreich“ und seinem Walzerhit „Rosen aus dem Süden“. Johanns „Tritsch-Tratsch“ Polka und sein Rauswerfer „Unter Donner und Blitz“, eine Polka schnell, runden das Straussfestival, das außerdem neben Josefs „Feuerfest!“ und Johanns „Im Krapfenwaldl“ angeblich Französisches in Polkaform präsentiert, schwungvoll ab. Unterhaltung Wiener Art pur, unvergleichlich locker und leicht in Szene gesetzt von den bestens aufgelegten Wiener Symphonikern, angefeuert durch den elegant geführten Taktstock ihres Landsmann Manfred Honeck.
Spektrogramm
Abtastrate 48 kHz: verifiziert
Abtastbreite 24 Bit: in Ordnung
Kommentar:
Technisch mögliches Spektrum zu 100% ausgenutzt.