Jeder, der schon einmal ernsthaft versucht hat, ohne Begleitung ganz alleine auf sich selbst als eigener Takt- und einziger Tonangeber gestellt, über eine längere Strecke völlig frei zu singen, weiß von der damit verbundenen Herausforderung. Dominique Fils-Aimé, die kanadische Singer/Songwriterin macht genau das mit zwei von insgesamt acht Songs, dem ersten und dem letzten gecoverten Song „Strange Fruit“ und „Feeling Good“ auf Ihrem zweiten Album. Und sie entledigt sich dieser Herausforderung virtuos und cool, als sei dies das Normalste der Welt. Sie steckt damit nicht nur die Außengrenzen für ihr Album ab, sondern definiert vom Ende und vom Anfang her nach innen gerichtet seine ausgesprochen ungewöhnliche Gangart, die lediglich eine spartanische Begleitung der Binnensongs mit vorzugsweise jeweils einem einzigen Begleitinstrument und öfter auch mit ihrer eigenen geloopten Stimme zulässt. Das ist insgesamt eine mutige Herangehensweise und bestimmt in hohem Maße die in sich ruhende, in hohem Maße auf sich selbst bezogene Stimmung des Albums.
Ihre Stimme trägt den außergewöhnlich solistischen Ansatz mit einer hohen Flexibilität der Tonbildung und in sämtlichen, sich nahtlos aneinander anschließenden Registern mit ausdrucksvoll leuchtenden Klangfarben. Diese Stimme benötigt keinerlei Forcierung, um Emotion mit der gebotenen Nachdrücklichkeit auszudrücken. Vielmehr entwickeln sich unterschiedliche Stimmungen scheinbar völlig natürlich im Rahmen eines unaufgeregt ruhigen Gesangs. Diese besondere Eigenschaft dürfte auf die haitianischen Gene zurückzuführen sein, die heute 34 Jahre alte Dominique Fils-Aimé von ihren Vorfahren geerbt hat. Jedenfalls ist dies allein schon ob der hier gebotenen hohen Sangeskunst und Stimmkultur, ganz abgesehen von der allenfalls mit knapper Begleitung erstellten Songs ein außergewöhnliches Album.
Nameless ist aber auch abgesehen von den geschickt mit einbezogenen, bei allem Understatement kraftvoll wiedergegeben Coversongs wegen seiner sämtlich von der Sängerin stammenden Songs und aufrührenden Songtexte ein ungewöhnliches Album. Der Titelsong, in dem die Sängerin ausschließlich von einer Violine begleitet wird, hinterlässt sowohl sängerisch wie textlich den stärksten Eindruck „Who’s out there shouting my name? Don’t you know it don’t belong to me no more”. In “Sleepy” übernimmt die Gitarre in allerdings nahezu gleichberechtigter Stellung die begleitende Rolle der Violine in „Nameless“. „Home” bildet mit seiner beinahe schon üppig besetzten, allerdings dezent agierenden Begleitung durch Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug beinahe so etwas wie ein Bruch des dem Album zugrunde liegenden Gebot, die Stimme der Sängerin allenfalls spärlich besetzt zu begleiten wie in „Birds“ mit seiner ausschließlichen Kontrabass-Untermalung. „Unstated“ treibt das Prinzip der sparsamen Begleitung durch die Violine durch die textfreie Ausführung des Gesangs auf die Spitze.
Auch wenn die begleitenden Musiker sparsam eingesetzt werden, verdienen Sie eine Nennung, als da sind Laurence Möller, Violine, Étienne Miousse, Gitarre, Kevin Annocque, Didgeridoo, Jean-Michel Frédéric, Keyboards, Jacques Roy, Kontrabass und Laurent Saint-Pierre, Schlagzeug.
Das ungewöhnlich konzipierte und ausgeführte Album Nameless der Singer/Songwriterin Dominique Fils-Aimé verdient starke Resonanz der schreibenden Zunft und vor allem sich in hohen Verkaufszahlen manifestierenden Zuspruch des Publikums. Ein wahres „Must Have“.
Dominique Fils-Aimé, vocals
Jacques Roy, bass
Laurent Saint-Pierre, drums, percussion
Jean-Michel Frédéric, keyboards
Étienne Mioussem, guitar
Laurence Möller, violin
Kevin Annocque, didgeridoo