Man kann es nur schwer glauben und doch ist es eine Tatsache: Dreamcatcher ist das erste Solo-Gitarrenalbum von Lee Ritenour, der im zarten Alter von acht Jahren erstmals eine Gitarre in die Hände bekam, also das Instrument, das ihn daraufhin über 60 Jahre durch ein vor Aktivität überbordende Musikerdasein bis in die Gegenwart geführt hat. Am Beginn seines Profidaseins, mit 16 Jahren, standen die Mamas & Papas, die er bei einer Aufnahmesession mit seiner Gitarre begleitete. Kurz nach der Episode mit dieser Folk Rock Gruppe verfiel er mit Haut und Haaren dem Jazz. Sein Vorbild war zu jener Zeit der Jazzgitarrist Wes Montgomery. Beginnend mit Lena Horne und Tony Bennett folgten zahlreiche Aufnahmesessions und Konzerte mit Lee Ritenour in seiner Funktion als Begleitmusiker. Zwischendurch verfeinerte er seine Gitarrentechnik durch ein Studium der klassischen Gitarre an der University of Southern California. Ab 1978 saß im nahezu jährlich der Grammy Award Nominierung im Genick, die sich 1985 für „Best Arrangement on an Instrumental“ realisierte. Allerdings wie gesagt nicht für ein Solo-Album, sondern für das Album Harlequin zusammen mit dem Filmkomponisten Dave Grusin in dessen Funktion als Jazzpianist und Ivan Lins Vocals.
Nun also erschien nach tausenden Band-Sessions doch noch ein Solo-Album des Gitarristen Lee Ritenour. „In der Vergangenheit war ich immer der Band-Typ, der Ensemble-Typ, der Kollaborations-Gitarren-Spieler-Typ. Das war also das einzige Projekt, das ich noch nicht gemacht hatte. Und dieses Jahr wusste ich, dass es an der Zeit war.“ Die 12 Tracks von Dreamcatcher zeichnen sich durch abwechslungsreiche, vielschichtige und kunstvoll variierte Melodien aus, die der Gitarrist stets souverän realisiert abliefert. Immer wieder klingt ein ungutes Geschehnis aus den unmittelbaren Vergangenheit des Gitarristen durch eine Tristesse infolge eines unersetzbaren Verlustes nach, den Lee Ritenour erlitten hat: „Unser Haus und mein Studio in Malibu, Kalifornien, brannten 2018 nieder. Etwa 100 meiner Gitarren fielen dem Feuer zum Opfer, dazu 40 Verstärker, jede Menge Musik, die Geschichte von nahezu meiner gesamten Karriere. Was mir noch nie passiert ist: eine Woche nach dem Feuer musste ich für eine Operation ins Krankenhaus. Dort wurde mir eine Aortenklappe ersetzt. All diese Ereignisse und die Unterstützung durch meine Familie und Freunde sind also absolut in diese Musik eingeflossen. Dieses Album zu machen, erwies sich als Lebensretter für mich."
Glücklicherweise hat die Aufnahmetechnik das technisch beindruckende Spiel dieses versierten Gitarristen geradezu kongenial eingefangen, mit dem dieser jede der jeweiligen Melodie geschuldete Stimmung überzeugend, wie aus dem Nichts entstehend zu erzeugen vermag. Jahrzehnte des Musizierens als Gitarrist hat Lee Ritenour mit seinem Solo-Album auf den Punkt gebracht.