In der Kürze liegt die Würze, um aus Shakespeares Hamlet sinngemäß zu zitieren: „Brevity is the soul of wit“. Selten ist dieser Spruch so zutreffend wie im Fall des gerade einmal ein wenig mehr als 35 Minuten spielenden zweiten ECM- Albums Isabella des israelischen Saxophonisten und Komponisten Oded Tzur, dem zusammen mit seinen Quartett-Partnern Nitai Hershkovits, Piano, Petros Klampanis, Bass und Johnathan Blake, Schlagzeug ein wirklich großer Wurf gelungen ist. Zwar sollte man die Besprechung eines Albums nicht mit dem Ergebnis beginnen. Im Fall von Isabella ist dies jedoch ausnahmsweise erlaubt, nachdem man das Album gleich mehrmals nacheinander abgehört hat, ohne sich vor lauter Begeisterung auch nur eine Notiz zum Gehörten zu machen. Ungewöhnliche Ereignisse erfordern mitunter tatsächlich ungewöhnliche Maßnahmen, was auch Shakespear gewusst haben dürfte, ohne dies jedoch in seinen Stücken direkt anzusprechen.
Bereits das erste auf ECM erschienene Album Here Be Dragons in derselben Quartett-Besetzung hat den einen und anderen Kritiker zu Lobeshymnen veranlasst. Isabella strickt das erfolgreiche Muster von Here Be Dragans nicht einfach weiter, sondern beschreitet neue Pfade was die Kompositionen betrifft, die hier mit zurückhaltender, feiner Eleganz konzipiert sind und dazu passend introvertiert und doch energiegeladen ausgeführt werden. Auch wenn der Jazz auf diesem Album nicht neu erfunden wird, wie könnte er auch, entsteht er voller Leidenschaft unbändig lebendig, natürlich ablaufend, wie neu erfunden. Verantwortlich dafür sind die einfallsreichen, schlüssigen Kompositionen von Oded Tzur, die sich als Synthese aus Raga und Jazz herausstellen und die von seinem Quartett intensiv innovativ, schlüssig und fantasievoll in die Tat umgesetzt werden. Inspiriert von klassischer Musik, ist Tzurs Spiel auf Isabella gehaucht, manchmal an der Grenze zum Unhörbaren.
Diese meisterhaft realisierte introvertierte Gangart hat etwas zutiefst Meditatives, das die Seele des Hörers fern oberflächlichen New-Age-Gehabes vor allem in „The Lion Turtle“, „Noam“ und „Love Song For the Rainy Season“ unmittelbar anspricht.
Das erste Stück des Albums „Invocation“ lotet die Tonalität bei voller Dynamik aus. Dessen ungeachtet gelingt es der Komposition dabei, Emotion aufzubauen, die den Hörer für die folgenden emotional dichten Stücke vorbereitet. Das Titel-Stück erweist sich als Essenz der fantasievollen, zutiefst emotional empfundenen Kompositionen des Albums. Was hinter dem Stück steckt, formuliert Oded Tzur so: „Es war einmal eine Frau, die hieß Isabela, und sie war wie ein Lied. Früher sagte man, die Welt ist Klang, aber nur wenige können das hören. Wie kann ein Mensch ein Lied sein, fragst du, und ich, habe nur meine beste Wette. Diese Welt besteht aus Klang, sie hört alles, was ihr seht, und dafür liebe ich sie“.
Das Album Isabella enthält keine Note zu viel, aber auch keine zu wenig, vielmehr stellt es ein einmaliges Konzentrat allerbester Jazz-Einfälle dar, was seine relativ kurze Laufdauer mehr als rechtfertigt, zumal es jedem unbenommen bleibt, es so oft zu hören, wie man möchte.
Oded Tzur, Tenorsaxophon
Petros Klampanis, Kontrabass
Nitai Hershkovits, Klavier
Johnathan Blake, Schlagzeug