Midnight in Europe ZZ Quartet
Album Info
Album Veröffentlichung:
2021
HRA-Veröffentlichung:
11.06.2021
Das Album enthält Albumcover
- 1 Pippo 05:31
- 2 Twilight Time Again 08:06
- 3 Voglio Una Donna 05:02
- 4 Frida Is Vanished 14:00
- 5 Baracoa 07:40
- 6 Morgagni Est 04:21
- 7 River Spirit 10:29
- 8 Café Finale 09:47
- 9 The Easy Whistler 04:56
Info zu Midnight in Europe
Dieses dritte Album des ZZ Quartetts, das von dem Gitarristen Ratko Zjaca und dem Akkordeonisten Simone Zanchini geleitet wird, zeigt die unerschrockenen Improvisatoren und Virtuosen auf ihren jeweiligen Instrumenten, wie sie im letzten Jahr bei verschiedenen Konzerten forschten und sich austesteten. Aufgenommen in der Zeit vor der Pandemie im Milestone Jazz Club in Piacenza und in der Cantina Bentivoglio während des Bologna Jazz Festivals 2019, zeigt„Midnight in Europe“, wie sich Zjaca und Zanchini noch einmal frisch mit ihren eigenen Stücken auseinandersetzen, die bereits auf zwei früheren Studioaufnahmen veröffentlicht wurden – „The Way We Talk“ von 2010 und „Beyond The Lines“ von 2013. Die beiden spielten auch auf Zanchinis Album „Don‘t Try This Anywhere“ von 2015 zusammen, eine Hommage des Akkordeonisten an den verstorbenen Tenorsaxophonisten Michael Brecker.
Begleitet werden sie von dem Bassisten Martin Gjakonovski, einem gebürtigen Mazedonier, der heute in Bergisch Gladbach bei Köln lebt, und Zjacas langjährigem Mitstreiter, dem amerikanischen Schlagzeuger Adam Nussbaum, der unter anderem mit dem Saxophonisten Brecker, den Gitarristen John Scofield und John Abercrombie, sowie dem legendären Bandleader Gil Evans live und im Studio zusammenarbeitete. Zjaca und Zanchini präsentieren hier eine eklektische Musik, die Aspekte des Jazz, der Klassik, der Folklore, der Weltmusik und des Rock organisch miteinander verbindet, immer auch mit einem Hauch von Humor versehen, gespeist aus der Kreativität dieser hervorragenden Improvisatoren.
„Simone und ich sind mit Jazz aufgewachsen, und Jazz ist amerikanische Musik“, sagt Zjaca, ein gebürtiger Kroate seit langem ansässig in Rotterdam. „Aber wir wollen immer klarstellen, dass wir aus Europa kommen und dass wir, mit Ausnahme von Adam, eine europäische Band sind.“
Dieses durch und durch europäische Element ist deutlich hörbar bei Zanchinis klagender Ballade Frida Is Vanished, in der seine Liebe zu den Filmen seines aus Rimini stammenden Landsmanns Federico Fellini durchscheint (der Akkordeonist lieferte letztes Jahr in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Radio Big Band eine brillante Hommage an Fellinis Hauptkomponisten Nino Rota). Diese Live-Version ist mitunter dank Zanchinis dramatischem und ausladendem Solo-Akkordeon-Intro um volle acht Minuten länger als die Studioversion, die das ZZ Quartett auf „The Way We Talk“ abgeliefert hat. Nussbaums verführerisches Besenspiel setzt hier den zarten Ton neben Gjakonovskis minimalistischen, kontrapunktischen Basslinien. Zjacas Solo erklingt hier in einem gedämpften, warm getönten Jim-Hall-Modus, während Zanchini sich mit Eleganz und ungewöhnlicher Ausdruckskraft durchsetzt, und seine charakteristische Virtuosität die wehmütige Stimmung unterstreicht.
„Ich stehe dieser Art von Melodien sehr nahe“, sagte Simone.„Ich bin mehr oder weniger mit dieser Art von Sound aufgewachsen und mein Instrument ist auch sehr mit dieser Art von romantischem, mediterranem Sound verbunden. Frida Is Vanished ist die Komposition auf dem Album, die dieser Art von Melodie und Lyrik Nino Rotas und der mediterranen Musik am nächsten kommt. Es ist eine Art Verschmelzung der italienischen Melodie oder des Cantabile mit der Chromatik. Und beides zusammen kann einen guten Klang ergeben.“
Im Gegensatz dazu vermittelt Zjacas treibendes, temporeiches Voglio Una Donna (zuvor auf „Beyond The Lines“ aufgenommen) eine moderne Jazz-Herangehensweise mit den rasanten achttaktigen Wechseln zwischen Akkordeonist Zanchini und Schlagzeuger Nussbaum. Gjakonovskis kraftvolle Basslinien treiben das Stück zusammen mit Nussbaums lebhafter Besenarbeit an. Und beachten Sie, wie Zanchini bei 3:12 kurz eine brasilianische Cuica immitiert. Bemerkenswert: Zjacas Verwendung eines Riffs aus Jimi Hendrix‘ „Manic Depression“ als sich wiederholendes Motiv im gesamten Song. „Das ist es, was wir mögen. Wir mögen Hendrix, wir mögen Fellini, wir mögen Wayne Shorter, wir mögen Michael Brecker, wir mögen Coltrane. Und wir mögen es, alles zu mischen“, so Zjaca.
Der temperamentvolle Opener des Albums, Zanchini‘s Pippo,im Original auf „The Way We Talk“ erschienen, ist ein dicht orchestrierter Titel mit einem anspruchsvollen Thema, unisono von Bass, Akkordeon, Gitarre und Schlagzeug gespielt, durchläuft einige komplizierte Taktwechsel, von 4/4 zu 3/4 zu 5/4, ohne einen Beat auszusetzen. Zjacas Solo hier ist zersplittert und voller Dissonanzen, mehr aus der „kantigeren“ James Blood Ulmer-Schule kommend als aus der eher „glatten“ eines Pat Metheny. In der Mitte seines Solos kommt ein Effektpedal zum Einsatz, das die Melodie in eine andere Klangzone transferiert. Nussbaum folgt mit einigen kraftvollen Schlagzeug-Fills, bevor Zanchini mit einem energiegeladenen Solo in Latin Manier loslegt, welches an Chick Coreas berühmten Titel Armando‘s Rhumba erinnert. Bassist Gjakonovski folgt hier mit einem perfekt ausgeführten Tumbao-Groove.
Auf seinem Upbeat Mid-Tempo-Swinger Twilight Time Again kokettiert Zjaca mit einem 11/4-Takt, bei dem Gitarre und Akkordeon unisono ein komplexes Thema spielen. Der Gitarrist vertieft sich in einem bluesigen Solo, während Bassist Gjakonovski mit einem bemerkenswert melodischen Solo heraussticht, bevor das Stück zum ansprechenden Thema zurückkehrt und sich in einer Ambient-Note auflöst.
Der hinreißende in Moll gehaltene Titel Baracoa des Gitarristen, benannt nach der kubanischen Stadt, die er vor ein paar Jahren besuchte, wechselt gewandt von 3/4 zu 5/4 und kombiniert einen subtilen Metheny Einfluss mit einem mediterranen Touch. Gjakonovski steuert dem Song, der zuvor schon auf Zjacas 2018 erschienenem Orgelquartett-Album „Life On Earth“ zu hören war, ein virtuoses Bass- Solo bei.
Zanchinis Morgagni Est (aus „The Way We Talk“) ist vielleicht das subversivste Stück des Sets. Mit dem Akkordeonisten, der digitale Loops und elektronische Soundeffekte einbaut, und dem Gitarristen, mit dem Einsatz von Effektpedalen (vor allem ein Wah-Wah-Filter und ein moderater Verzerrer in seinem Solo), ist dieses ausgefallene Stück kollektiver Improvisation bei weitem die kantigste Nummer der Gruppe. „Da es im Grunde keine Harmoniewechsel gibt, wollten wir die Grenzen ausreizen und der Dynamik freien Lauf lassen“, sagt Zjaca. „Bei diesem Stück geht es mehr darum, einander zuzuhören, keine Akkorde zu spielen, sondern einfach auf die musikalischen Motive und die verschiedenen Tonhöhen zu reagieren.“
Zjacas sanftes und geheimnisvolles River Spirit (aus „Beyond The Lines“) beginnt mit einem unbegleiteten Bass-Intro. In der Komposition und lyrischen Art des Gitarristen kann man auch hier eine Reminiszenz an Metheny heraushören. Beachtenswert auch Zanchinis verschmitztes Zitat aus Dizzy Gillespies „Birk‘s Works“ in der Mitte seines Solos.
eingespielt wurde, ist Zanchinis Café Finale. Mit einem halsbrecherischen Thema, das in einen groovenden Up-Tempo-Swing-Teil übergeht, ist der Titel eine klare Verbeugung des Akkordeonisten vor seinem Mentor und Vorbild, dem amerikanischen Bop-inspirierten Jazz-Akkordeon-Pionier der frühen 1950er Jahre, Art van Damme.„Art war definitiv mein Guru“, sagt er. „Ich hatte die Chance, mit ihm zu spielen, als ich etwa 26 Jahre alt war. Und dann habe ich 2006 ein Album namens „Fuga Per Art“ gemacht, das eine Hommage an Art Van Damme ist, auf dem ich alle seine Arrangements seines berühmten Quintetts mit Vibraphon („Martini Time“ von 1953) neu interpretiert habe. Es ist eine moderne Version dieser Musik, ich schickte ihm das Album nach Los Angeles, als es fertig war. Er schrieb mir später zwei Briefe auf einer Schreibmaschine, die ich wie einen kostbaren Schatz in meinem Studio aufbewahre. Der erste, den er mir schickte, enthielt eine Menge Komplimente und den zweiten schrieb er aus dem Krankenhaus. Und zwischen all den Glückwünschen schrieb er:‚Hey Simone, wir müssen uns beeilen, um wieder zusammen zu spielen, denn ich bin im Krankenhaus und werde 89.‘ Und dann ist er nach ein paar Monaten gestorben. Also, mit Art bin ich sehr eng verbunden, nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich. Er war eine meiner ersten Inspirationen überhaupt. Das ist er auch heute noch. Art war mein erster Lehrer, mein erster Bezugspunkt, mein Guru, mein Freund. Ich habe diesen Mann wirklich geliebt.“ In den Fußstapfen von Van Damme und einer anderen großen Akkordeon-Inspiration, Frank Marocco, treibt Zanchini das Akkordeon weiter voran, indem er seine unvergleichliche Virtuosität mit seiner grenzenlosen Fantasie und furchtlosen Hingabe vermählt.
Man kann einen Hauch von Humor in The Easy Whistler hören, Simones Antwort auf Bobby McFerrins „Don‘t Worry, Be Happy“. Nach dem treibenden Café Finale klingt es fast wie eine Parodie.
„Wir nennen das musikalisches Theater“, sagt Zjaca über den eklektischen Ansatz des ZZ Quartetts.„Wir wollen offen sein für alle Ideen, für jeden Sound. Wir mögen Rockmusik, wir mögen Jazz, Avantgarde, Swing, alles. Wir wollen nicht in einem Käfig sitzen und nur einen bestimmten Groove oder Stil oder Sound spielen. Man kann hören, dass es viele verschiedene Richtungen gibt, in die wir gehen. Wir haben keine Angst davor, eine einfache Swing-Melodie zu spielen, um dann in völlig offene Terrains vorzustoßen. Das ist es, was wir lieben. Wir gehen gerne aus unserer Komfortzone heraus.“
Zanchini fügte hinzu: „Ich denke, das ist wirklich eine der Stärken der Band, die Fähigkeit, die Musik so flexibel zu gestalten und durch all diese verschiedenen Genres und Musikstile zu wandern. Und aus dieser Einstellung heraus ist jedes Konzert einzigartig. Wir haben vielleicht die gleiche Setlist, aber stets unterschiedlich gewürzt, entstehen immer verschiedene Atmosphären. Wir versuchen wirklich jeden Abend, etwas Neues zu machen.“
Und das ist ihnen an diesen beiden unvergesslichen Abenden in der italienischen Region Emilia-Romagna auf grandiose Weise gelungen. Von strukturierten Formen über erhabene Balladen bis hin zu freier, offener Kommunikation spricht das ZZ Quartett bei Midnight in Europe auf der Bühne eine Vielzahl von Sprachen.
Simone Zanchini, accordion, live electronics
Ratko Zjaca, electric guitar, electronics
Martin Gjakonovski, double bass
Adam Nussbaum, drums
ZZ Quartet
This group has a unique musical vision that absorbs and reflects all manner of music while retaining an enviable individualism and high quality craftsmanship that can span from quiet intimacy to searing intensity. Diverse musical backgrounds, which include jazz, modern classical, world music, and free improvisation. They have been working on original compositions as well as crafting beautiful and haunting improvisations. Their music blurs the boundaries between notated music and free improvisation; the unique sonic landscapes that result are grounded in history, while pushing at the boundaries of modern improvised music.
Simone Zanchini
Considered one of the most interesting and innovative accordion player on the international scene, his research moves between the boundaries of contemporary music, acoustic and electronic sound experimentation, mixing together experiences and super-refined influences issuing in an absolutely personal approach to improvisation materials. Eclectic musician, performs an intense concert activity with groups of diverse musical backgrounds (improvisation, contemporary music, jazz, classical). Graduated with honors in classical accordion at the Conservatory G. Rossini in Pesaro, with the Master Sergio Scappini.
He has performed in several Festivals in Italy (Clusone Jazz, Umbria Jazz, Tivoli Jazz, Jazz in the Time-Berchidda, Sant’Anna Arresi, Barga Jazz, Mara Jazz, Jazz-in’it, Ravenna Festival, Rossini Opera Festival, Siena Jazz, Roccella Jonica etc.) and in the mainly international Festivals (France, Austria, Germany, England, Holland, Sweden, Denmark, Finland, Slovenia, Croatia, Macedonia, Spain, England, Norway, Russia, Tunisia, Lebanon, India, Venezuela, Japan, etc.).
He has collaborated with many internationally renowned musicians from different musical backgrounds such as: Thomas Clausen, Gianluigi Trovesi, Javier Girotto, Marco Tamburini, Massimo Manzi, Tamara Obrovac, Krunoslav Levacic, Vasko Atanasovski, Paul Fresu, Antonello Salis, Han Bennink, Art Van Damme, Bruno Tommaso, Ettore Fioravanti, Mario Marzi, Michele Rabbia, Andrea Dulbecco, Giovanni Tommaso, Gabriele Mirabassi, Frank Marocco, Bill Evans, Adam Nussbaum, Jim Black. Since 1999 he collaborates with the Soloists of the Orchestra of Teatro alla Scala in Milan, with this group he toured regularly.
Aside from musical performances and reasearch, Zanchini leads also accordion’s workshops and collective impro.
In 2006 he published Be-bop Buffet (Wide Sound) a duet with Frank Marocco, a model of the Bebop language expressed with the accordion. In 2009 Better Alone…! (Silta Records) a solo project where prove all tone colours of his instrument through the use of a particular midi accordion, live electronics and laptop, in the same year he published also Fuga per Art Jazz 5et (DodiciLune Records), the unique tribute work of Zanchini, a tribute to his great Master and one of the greatest exponents of the jazz accordion: Art Van Damme.
In 2010 he published a new Project with Ratko Zjaca (guitar), Martin Gjakonovski (bass) and Adam Nussbaum (drums): The Way We Talk (In + Out Records).
In May 2012 has been released the latest Zanchini project: MY ACCORDION’S CONCEPT (Silta Records) a project built up on radical improvisation with the acoustic accordion and live electronics, a brave attempt to subvert the common code of expression through the accordion.
In December 2012 he recorded a new album with the ZZ Quartet (Zjaca, Zanchini, Nussbaum, Gjakonovski).
Dieses Album enthält kein Booklet