Das Danish String Quartet hat im Gegensatz zu herkömmlichen Streichquartetten viele Gesichter. Wie die Konkurrenz kann es Klassik von Haydn bis Nielsen. Selbstredend kann es auch Moderne. Allerdings kann es auch Folklore, und dies nicht etwa aufgesetzt aus dem Blickwinkel klassischer Musik, sondern tief verwurzelt in Dänischer Volksmusik, rau und zupackend zum Tanz aufspielend. Ihr Album Wood Works von 2014 kündet von der überzeugenden Folk-Kompetenz des Quartetts. Dass es den Dänen ernst ist mit Ihrem Engagement in Sachen Folk, dafürspricht, dass weitere Alben beim Label ECM geplant sind, bei dem bereits das Album Last Leaf mit nordischer Folklore erschienen ist. Bei ECM ist man verständlicherweise von dem Danish String Quartet so angetan, dass vor einem Jahr die Reihe Prism ins Leben gerufen worden ist, die um die letzten Quartette Beethovens kreist, die jeweils in Bezug gesetzt werden zu einer Bach-Fuge und einem modernen Werk. Faszinierend. Eine derart spannende Programmierung ist alles andere als alltäglich und spricht für die aufgeschlossene Weltsicht dieses Quartetts ebenso wie für das Münchner Label ECM, für das ungewöhnliche Programmgestaltung mit und um klassische Musik Lebenselixier ist.
Nach dem letztjährigen PRISM I, das als moderne Alternative zu Bach und Beethoven das 15. Streichquartett von Schostakowitsch stellte, bringt PRISM II Schnittkes Streichquartett Nr. 3 zur Wechselwirkung mit dem darauf folgenden Streichquartett Nr. 13 von Beethoven, dem sich die große Fuge op. 33 des Bonner Meisters als finaler Satz anschließt. Wer Bachs Fuge in h-Moll aus dem ersten Buch des Wohltemperierten Klaviers in der nüchtern Wiedergabe durch Glenn Gould kennt, wird ungläubig mit dem Kopf schütteln, wenn er das vom Danish String Quartet interpretierte Arrangement von Beethovens Zeitgenossen Emanuel Aloys Förster als erstes Stück auf Prism II zu hören bekommt. Nicht der komplett andere, elegische Sound der Streicher macht aufhören, sondern die ruhige, unendlich entspannte, tief einfühlsame Herangehensweise der Dänen, die Bach konträr zur modernen, nüchternen Sichtweise Glenn Goulds zeitlos gültig zum Klingen bringen.
Alfred Schnittkes Streichquartett Nr. 3 aus dem Jahre 1983, das sich unerwartet organisch an die Bachsche Fuge anschließt, ist ein typisches Beispiel für die Komponierweise des Deutsch/Russen, der in all seine Werken Anspielungen auf andere Stilepochen und andere musikalische Bereiche eingebaut hat, indem sie verfremdet, bricht und verbindet. Im 3. Streichquartett erfahren die Anspielungen eine Art Hineinmontieren und Verarbeiten von unter anderem Zitaten Orlando di Lassos und dem Hauptthema von Beethovens Großer Fuge wodurch die Brücke zum Beethoven auf PRISM II geschlagen ist. Die Große Fuge gilt als ein der kühnsten Kompositionen des an Kühnheit seines Musikerfindungen nicht gerade armen Ludwig van Beethoven. Auf Präzision und Temperament getrimmt, kann das Danish String Quartet, wie nur wenige seiner Konkurrenten, perfekt mit Beethovens Kühnheit umgehen, die in der Großen Fuge verkörpert ist. Das Licht und die Dunkelheit der Fuge werden auf der Basis sanfter Klangerzeugung ideal inszeniert und finden auch im vorausgehend präsentierten Streichquartett ihr ideales Gegenstück, das als Auftakt zum mächtigen Finale in Form der großen Fuge interpretiert wird.
PRISM II erweist sich als Meilenstein in der noch jungen Geschichte der PRISM-Serie von ECM mit dem auf dieses spezielle Projekt bestens eingestimmte, facettenreich agierenden Danish String Quartet.
Danish String Quartet