Rubberband ist ein recht trauriges Beispiel dafür, wie selbst ein unangefochtener Trompeterstar wie Miles Davis, der mehrfach Jazzgeschichte geschrieben hat, politischem Gerangel auf Label-Ebene zum Opfer fallen kann. Nach dreißig Jahre entschied sich Miles Davis 1985, die Zusammenarbeit mit dem Label Columbia Records zugunsten Warner Bros zu ändern. Noch im selben Jahr begannen die Studio-Aufnahmen für Rubberband. Produzent war Miles Davis selbst zusammen mit den damals jungen Co-Produzenten Randy Hall and Attala Zane Giles mit dem Ziel, die Sound-Welt von Miles Davis (wieder einmal) neu zu erfinden, indem eine neue musikalische Richtung eingeschlagen wird, die näher an dem liegt, was zu der Zeit an Pop gängig war. Angestrebt waren eine rauere Gangart und die Einbindung verschiedener Stile des Pop, wie Funk, Latin und karibischen Pop. Mit von der Partie waren Hall and Giles, Gitarre, Bass und Keyboards, Wayne Linsey, Neil Larsen und Adam Holzman Keyboards, Glenn Burris und Michael Paulo Saxophon, Felton Crews und Cornelius Mims Bass und Steve Reid und Wilburn Jr Schlagzeug. Alles lief soweit glatt bis kurz vor Fertigstellung. Gesangsbeiträge von Al Jarreau und Chaka Khan fehlten noch als der Warner Bros Mann Tommy LiPuma sein Veto gegen eine Veröffentlichung des Albums einlegte. Dem ging als Befürworter weichgespülter Produktionen die kantige Gangart von Rubberband gegen den Strich. Und so verschwand Rubberband für 30 Jahre im Archiv.
Wiederauferstehung in Gestalt eines „Remaster“ feierte Rubberband am 6. September 2019 nach Neuabmischung und Ergänzung der fehlenden Gesangsbeiträge durch Lalah Hathaway and Ledisi. Als Produzenten konnten die seinerzeitigen Co-Produzenten Randy Hall and Attala Zane Giles gewonnen werden, die seinerzeit dafür gesorgt hatten, dass Rubberband rauer geklungen hatte, als man das von Miles Davis gewohnt war. Und wie hört sich das remasterte Rubberband an?
Genauer hingehört, spielt die Trompete von Miles Davis eine untergeordnete Rolle auf Rubberband. Sein Beitrag krankt daran, dass er nicht nur wie künstlich aufgesetzt wirkt, sondern, dass er per Mixer über abgenudelte folkloristische Melodien und nicht weniger ausgelutschte Rhythmen gestülpt ist, ohne in irgendeinem Wirkzusammenhang damit zu stehen. Wer die Hoffnung nährte, dass der anlässlich der ursprünglichen Studioproduktion von Miles Davis in Aussicht genommene radikale Richtungswechsel durch den Einfluss von Funk- und Soul-Grooves im remasterten Rubbersoul Gestalt durch die Mitwirkung der seinerzeitigen Produzenten Randy Hall and Attala Zane Giles annehmen würde, sieht sich durch das nunmehr vorliegenden Endprodukt enttäuscht. Das ist bedauerlicherweise alles viel zu brav und unverbindlich, zu glatt und nichtssagend, schlicht uninspiriert. Rubberband tönt mit wenigen Ausnahmen, wie etwa hie und da in „Give It Up“ durch und durch nach dem, was es ist, ein am Computer nicht allzu liebevoll erstelltes Kunstprodukt.
Wäre die Welt des Jazz ärmer ohne Rubberband? Sicherlich nicht. In diese Kategorie fallen unzweifelhaft andere Alben von Miles Davis, wie sicherlich „Kind of Blue“. Aber selbst ein begnadeter Musiker wie Miles Davis produzierte im Lauf seines Lebens nicht nur Alben auf der einsamen Höhe von „Kind of Blue“. Allerdings produzierte er Alben, die um Klassen besser sind als Rubberband. Den eingefleischten Miles Davis Fan wird dies allerdings nicht davon abhalten, das nachgelassene Album seiner Sammlung von Miles Davis Alben hinzuzufügen.
Miles Davis, trumpet, keyboards
Additional musicians:
Glen Burris, saxophones
Adam Holzman, keyboards
Neil Larsen, keyboards
Wayne Linsey, keyboards
Vince Wilburn Jr., drums
Steve Reid, percussion
Randy Hall, vocals ("I Love What We Make Together")
Lalah Hathaway, vocals ("So Emotional")
Ledisi, vocals ("Rubberband of Life")