Allerspätestens mit seinem 2104 erschienen ersten Solo-Album Lonely Hour mischt der heute 27-jährige britische Singer-Songwriter Sam Smith in der internationalen Riege der Top-Popsänger kräftig mit. Eine glücklich überstandene Stimmband-Operation später gewann er Anfang 2016 den Oscar für die Gestaltung des Titelsongs im James-Bond-Film Spectre in der Kategorie Bester Song und toppt damit den im Jahr davor unter anderem in der Kategorie Bester Künstler eingeheimsten Grammy Award. Damit begründet Sam Smith, der sich vor seinem Oscargewinn als schwul geoutet hatte, endgültig seinen Ruf als Überflieger der internationalen Pop-Szene.
Was macht den enormen Erfolg eines Sam Smith aus? Der Mann kann singen. Und wie! Das alleine genügt allerdings noch nicht, um an die Spitze zu gelangen. Da muss schon noch das gewisse Etwas hinzukommen. Und das ist im Fall von Sam Smith sein druckvoller, hoher Tenor, den er mit einer Klangfarbe inszeniert, die es mitunter schwermacht, zu entscheiden, ob ein männliches oder ein weibliches Wesen dahintersteckt. Diese androgyne Art zu singen im Verbund mit einem betont männlichen Aussehen macht die Marke Sam Smith zu etwas Besonderem.
Too Good At Goodbyes, der Titelsong des neuen Albums tummelt sich trotz oder wegen seiner geschickt am Kitsch vorbeischrammenden Herz-Schmerz-Stimmung als Single-Auskopplung in den Billboard Top 10 und hat bereits mehr als 100.000 Aufrufe in You Tube hinter sich. Bodenständiger geht es im blechbläsergesättigten One Last Song, aber auch im Song Baby You Make Me Crazy zu, die beide ein wenig wie eine Reminiszenz an Amy Winehouse tönen. Nicht nur Blechbläser verstärken die Stimmung der Songs auf The Thrill Of It All, sondern auch ein mit schwarzen Stimmen besetzter, offenbar mit Gospelgesang bestens vertrauter Chor, wie etwa in „Burning“.
Nicht nur der Titelsong, sondern jeder der auf dem neuen Album versammelte Songs hat dank kompositorischem Einfallsreichtum, dramatischer Gestaltung und hoher Professionalität aller Beteiligten das Potential, auch als Single erfolgreich zu werden. Den Hammer holt Sam Smith jedoch heraus in „Him“. Hier offenbart er seine gleichgeschlechtliche, innige Liebe und bittet den Holy Father, also den Pabst, um Vergebung für seine aus Sicht der katholischen Kirche offenbaren Verfehlung. „Him“ kommt einem zweiten Outing gleich, das auf die Straßen von Mississippi projiziert ist, die Sam Smith mit seinem Geliebten Hand in Hand durchschreitet. Diese Stadt im Süden der USA zeichnet sich bekanntlich durch einen selbst für die Südstaaten ungewöhnlich hohen Pegel an aggressiver Intoleranz gegenüber allem aus, was schwarz und schwul ist. Die Wahl dieses Ortes für den Protestmarsch der beiden Liebenden macht Him zum Protestsong gegen menschenverachtende Intoleranz jeglicher Art und hebt The Thrill Of It All ab von üblicherweise unpolitischen Pop-Alben.
Schon alleine wegen Him ist es The Thrill Of It All wert, in der bestens klingenden, hochauflösenden Version heruntergeladen zu werden. Da auch die übrigen Songs von überdurchschnittlicher Qualität und Stück für Stück hervorragend gesungen sind, dürfte dem neuen Album von Sam Smith ein anhaltender Erfolg sicher sein.