John Scofield gilt mit seinen 71 Lebensjahren als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Jazzgitarristen seit Wes Montgomery. In Jazzkreisen ist er allgemein bekannt für seinen leicht angezerrten Gitarrensound und sein Laid-Back und Inside-Outside Spiel, bei dem tonartfremdes und tonartnahes Material gezielt gegeneinandergestellt wird. Diese spezielle Art, mit der Gitarre umzugehen ist der Grund dafür, dass John Scofield, ob er nun Mainstream Jazz, Fusion, Country, Rock, oder experimentelle Musik spielt, bereits nach wenigen Takten sofort als John Scofield erkennbar ist. Seit 1977 veröffentlichte er nahezu jährlich ein Album, manchmal gar zwei Alben. Diese enorme Produktivität ist erstaunlich. Erstaunlich ist auch, dass sein nach ihm selbst benanntes neues Album nach derart langer Aufnahmekarriere das erste Soloalbum des Gitarristen ist.
Um Spannung im Solospiel aufzubauen und dessen Vielseitigkeit zu erweitern bediente sich John Scofield bei der Einspielung des neue Albums eines Tricks, den auch andere schon angewandt haben, wenn sie ein Soloalbum vorgelegt haben, indem er Overdubs nutzt. Dazu spielte er mit einem „Looper“, obwohl er nicht über kurze, nur Sekunden lange Phrasen ein Solo spielt, sondern in der Länge ganzer Refrains. Es gibt andere Stellen, an denen er über geloopte Fragmente zur Strukturierung Soli setzt. Zumeist jedoch hört man Scofield im Duett mit Scofield, was er so kommentiert hat: „Wenn ich ein Solo spiele, mache ich diese kleinen Gitarrenloops spontan, ich mache keine voraufgenommenen Loops. Also muss ich auf die Musik reagieren und es ist fast so, als würde ich mit einer anderen Person spielen. Ich sage: nahezu fast.“ Selbstverständlich ging Covid auch an diesem Gitarristen nicht spurlos vorbei. Allerdings konnte er dem erzwungenen Hausarrest auch etwas Positives abgewinnen: „Ich glaube, es gibt eine gewisse Zartheit, die ich mir angeeignet habe, wenn ich allein zu Hause spiele. Ich bin es so gewohnt, mit einer schlagkräftigen Band zu spielen, was ich sehr gerne tue, und das bringt eine gewisse Muskulosität mit sich. Das fällt jetzt weg, und stattdessen habe ich hoffentlich einen feinfühligeren Ansatz gefunden, der die Anmut der Saiten hervorhebt.“
Von den auf dem neuen Album versammelten dreizehn Stücken hat Scofield bereits früher in unterschiedlicher Besetzung eine ganze Reihe eingespielt. Fünf neue Stücken stehen achtzehn Cover bekannter Stücke gegenüber. Das Öffnungsstück „Coral“ mit seinem entspannten Rhythmus stammt von Keith Jarrett und enthält im entspannter 4/4-Takt ein frühes Overdub-Solo. Darauf folgt „Honest I Do“, einem Original aus seinem Album Grace Under Pressure. Weitere Stücke aus Scofields Feder sind das jazzig und bluesig aufgeladene „Elder Dance“, das sanft daherkommende „Mrs. Scofield's Waltz“, das Scofield ursprünglich zusammen mit Brad Mehldau eingespielt hatte, und das Fusion-basierte „Trance De Jour“. Im besten Sinne traditionelle Stücke sind „Danny Boy“, das Blues-seelige „Junco Partner“, das mitreißende „It Could Happen to You“ und „There Will Never Be Another You” aus dem allerersten Album von John Scofield, schließen sich an. “Not Fade Away“ rockt nicht minder heftig als das Original von Buddy Holly. Das durchgehend fantastisch gespielte Album schließt mit Hank Williams' „You Win Again“ mit seiner entspannten vom Country geprägten Gangart. Hier gelingt es Scofield mit seiner akustischen Gitarre den für Country so wichtigen Sound einer Steel Slide Gitarre überzeugend zu imitieren.
John Scofield spielt John Scofield ist ein Muss für jeden Fan meisterlichen Gitarrenspiels, zumal ECM in bekannter Manier dieses Labels dieses exzellente Spiel in allerbestem Sound präsentiert.
John Scofield, Elektrische Gitarre