Live at the Paradox Sun Ra Arkestra
Album Info
Album Veröffentlichung:
2009
HRA-Veröffentlichung:
16.08.2016
Das Album enthält Albumcover
- 1 Space Walk 12:37
- 2 Dicipline 27-B / I'll Wait for You 09:46
- 3 Dreams Come True 07:57
- 4 Velvet 07:21
- 5 You'll Find Me 07:44
- 6 Millennium 07:19
- 7 Take Off 03:47
- 8 Hocus Pocus 03:56
- 9 Space Idol 06:14
Info zu Live at the Paradox
Seit 55 Jahren steht das Sun Ra Arkestra unerschütterlich in der reichen Tradition der großen alten Swing-Bigbands. Doch das vierzehnköpfige, hochkarätig besetzte Orchester ist allzeit bereit von diesem festen Grund aus kraftvoll durchzustarten und getreu seines Mottos “Space is the Place” als pulsierender Superorganismus in jedwede Klangsphäre vorzudringen. Dieser unbeirrbare Geist und Freiheitsdrang, die überbordende Spielfreude und Innovationskraft begeisterten gut 3.000 Zuhörer beim ZXZW Festival in Tilburg, Niederlande.
An fünf Abenden vom 15. bis 20. September 2008 war das Sun Ra Arkestra dort im Musikclub Paradox als „Artist in Resident“ zu erleben. Jedes dieser Konzerte kam einem Urknall gleich. Live at the Paradox entstand am letzten Abend des denkwürdigen Konzertreigens und legt Zeugnis ab: Jazzgeschichte und unsterblicher Mythos – 1954 von Sun Ra, dem Piano Genius, Meisterkomponisten, Arrangeur und mystischen Visionär gegründet, bleibt das Sun Ra Arkestra bis heute ein wichtiger Stimulus und Impulsgeber.
Sun Ra selbst bleibt ein unergründliches Paradox. Bevor er seine eigene Biographie schuf, Historie durch Mythos ersetzte, den weltlichen Namen Herman Poole Blount ablegte und zum lebenden Mythos Sun Ra wurde, hat er noch Ende der 40er-Jahre als Pianist und Arrangeur in der Fletcher Henderson Bigband gewirkt. Nicht mehr von dieser Welt aber ist Sun Ra.
Er wurde nie geboren, sondern kam 1914 vom Planeten Saturn auf die Erde, um den Menschen die musikalische Botschaft tieferen Verstehens und kosmischer Harmonie zu verkünden. Die sagenhafte Biographie legitimiert sich durch sein überragendes Werk, das unberührt von Genres und Zeitgeist unvergleichlich bleibt. Ende der 60er-Jahre ist Sun Ra der erste Jazzmusiker, der den Moog-Synthesizer für seinen zukunftsweisenden Sound nutzt. Sun Ras Kompositionen sind Meisterwerke der Polyphonie. Seine Auffassung gipfelt in Kollektivimprovisationen von höchster Konzentration, überirdisch schön und zuweilen explosiv wie eine Supernova. Musikern wie John Coltrane war das Sun Ra Arkestra in den 50er-Jahren eine Quelle der Inspiration. Rockbands wie Sonic Youth und MC5 haben sich von dessen Geist beseelen lassen, erst jüngst das Shibusashirazu Orchestra, Tokyos führendes Avantgarde Jazzensemble.
1993 ist der legendäre Bandleader zum Saturn zurückgekehrt, doch sein Mythos bleibt auch sechzehn Jahre danach vital wie eh und je. Seit 1995 führt der 85jährige Meistersaxophonist und Multiinstrumentalist Marshall Allen die musikalische Mission fort. Mehr als 30 Jahre hat Marshall Allen die Reed- Sektion des Sun Ra Arkestras geleitet, bevor der Staffelstab an ihn überging. Sein eruptives Altsaxophon wurde das Markenzeichen des kosmischen Klangs und macht ihn zu einer der markantesten Stimmen im Jazz. Was Sun Ra mit dem Moog vermochte, vermag Marshall Allen mit dem E.V.I. – dem Electric Valve Instrument. Marshall Allens fähige und erstaunlich energetische Hand hat Sun Ras Werk mit dem Arkestra konsequent fortgeführt und durch eigene Kompositionen weiterentwickelt. Beispiellos schreibt das Sun Ra Arkestra damit die afroamerikanische Tradition fort, das Erbe von Musiker zu Musiker zu tradieren.
Live at the Paradox führt direkt in diese Keimzelle musikalischer Evolution. Von den Wurzeln des Jazz bis in die Triebspitzen der Avantgarde reicht das atemberaubende Repertoire. Altgedien- te Bandmitglieder wie der Tenorsaxophonist Charles Davis sind Seite an Seite mit den verheißungsvollen jungen Stimmen der nächsten Generation zu erleben, repräsentiert durch Wayne Anthony Smith Jr. (dr) und Farid Barron (p), mit dem erstmals seit Sun Ras Abreise das Piano wieder zu seinem vollen Recht kommt. Wie klingt es, wenn man in der Sound-Zeitmaschine aus der Zukunft anreist, die Schallmauer zu einer längst vergangenen Ära durchbricht und mitten in der Gegenwart landet? Marshall Allens “Space Walk” ist das Tableau auf dem sich die Klangreisenden zuerst präsentieren. Herbei getrom- melt tauchen die Stimmen aus dem Raum empor, um sich episodenweise zu finden und wieder frei zu geben. Weite Strecken treiben Schlagzeug, Bass und Piano das Tempo der Begegnungen an. Am Ende landet das Arkestra tutti auf dem Punkt. “Discipline” durchzieht Sun Ras gesamtes Schaffen, mit etlichen nummerierten Kompositionen gleichen Namens. “Discipline 27-B” aus den frühen 70er-Jahren erklingt packend leidenschaftlich. Trompete, Posaune, Tenorsaxophon und Piano lösen sich wie beim Staffellauf für virtuose Soli aus. Die “27-B” Spielart höchster Disziplin mündet mit “I’ll Wait For You” in der Hymne des kosmischen Coups im Paradox. Charles Davis, der schon Mitte der 50er-Jahre Sun Ras Weggefährte in Chicago wurde, besticht bei “Dreams Come True” aus dieser Zeit mit einem Solo, das Erinnerungen zärtlich und kraftvoll mit Leben erfüllt. Auch das rasante “Velvet” entstand in Chicago, Ende der 50er-Jahre, und wurde auf “Jazz in Silhouette” 1958 erstmals veröffentlicht. Die Live Version im Paradox startet aus einem großartig frei rhythmisierenden Piano in einen Vamp, der über das gesamte Instrumentarium in Bewegung bleibt und Soli hervorsprudeln lässt. In Marshall Allens sentimental schöner Ballade “You’ll Find Me” gibt Charles Davis den sanften Ton an, dem Soli von Fred Adam (tp) und Farid Barron (p) folgen. Wie schon bei “Dreams Come True” ergänzen sich die beiden Trompe- tencharaktere Cecil Brooks und Fred Adams auch bei Marshall Allens frischer Swing-Nummer “Millennium” solistisch. Doch es ist Marshall Allen, der hier all seine Qualitäten als Saxophonist ausspielt, samten, energiegeladen und explosiv. Mit dem E.V.I. hebt er bei “Take Off” über subversiven Piano Riffs und treiben- dem Schlagzeug ab. Die Komposition zerbirst im kollektiven Aufschrei, als gelte es die Mauern von Jericho niederzureißen. Fletcher Hendersons Bigband Klassiker “Hocus Pocus” erscheint nach diesem kosmischen Urknall mit authentischer Lässigkeit. Gestopfte Trompeten katapultieren einem mitten hinein in den Sound der goldenen Zwanziger Jahre. Das Piano holt die Zuhö- rer mit “Space Idol” zurück in die zeitlose Welt des mythischen Musikers Sun Ra und das Sun Ra Arkestra geht einmal mehr mit voller Kraft voraus.
Marshall Allen, director, alto saxophone, EVI, flute, clarinet, vocals
Charles Davis, tenor saxophone
Knoel Scott, alto saxophone, vocals
Yahya Abdul Majid, tenor saxophone
Danny Thompson, baritone saxophone, flute, percussion
Rey Scott, baritone saxophone, flute
Fred Adams, trumpet
Cecil Brooks, trumpet
Dave Davis, trumpet, tuba
Farid Baron, piano, organ
Dave Hotep, guitar
Juni Booth, bass
Wayne A. Smith Jr., drums
Elson Nascimento, surdo
Digitally remastered
Keine Biografie vorhanden.
Dieses Album enthält kein Booklet